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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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auf das dicke Buch. »All diese Geschichten brachten mich dazu, erneut die Geschichte von Sodom und Gomorrha unter die Lupe zu nehmen.« Unter dem Berg von Büchern und Schriften kramte er ein Büchlein mit griechischen Buchstaben hervor. »Strabo erwähnt jene Städte im Tal Siddim im Süden des Toten Meeres zum ersten Mal in seinen geographischen Schriften. Das war im ersten Jahrhundert nach Christus.« Wieder kramte er in dem Bücherberg und zückte die Kopie einer Landkarte, die über und über mit Anmerkungen in Latein bekritzelt war. »In Rom nahm sich der Schreiber Tacitus der Angelegenheit an und schilderte eine Katastrophe in der Gegend von Ama Schel Sodom, was nichts anderes ist als eine antike Bezeichnung für das Tote Meer.«
    »Sie glauben wirklich, dass dieses Unglück etwas mit den Nebeln zu tun hat?«, fragte Aurora.
    »Nein, nicht mit den Nebeln.«
    »Sondern?«
    »Es gibt, glaube ich, noch andere Erscheinungen, die den Nebeln, mit denen wir es hier zu tun haben, sehr ähnlich sind.«
    Aurora lauschte gebannt und fühlte sich, als schwebe noch immer der Geist Maurice Micklewhites in diesen Hallen.
    »Hören Sie mir zu«, forderte Tristan Marlowe sie auf und rückte sich das Monokel zurecht. »Einer der ältesten Söhne Abrahams, der, wie wir wissen, ein israelischer Nomadenfürst gewesen war, ließ sich in der Ebene am Ufer des Toten Meeres nieder, nachdem eine Hungersnot ihn und seine Familie aus dem Land Kanaan vertrieben hatte. Dort erblühten die Städte Sodom, Gomorrha, Zeboim, Zoar und Adma in einer Gegend, deren Weiden wasserreich und deren Gärten so fruchtbar wie das Land Ägypten waren. Fünf Könige regierten die Städte, und diese waren so mächtig, dass sie das Land sogar gegen die mesopotamischen Herrscher verteidigen konnten.«
    Im Laufe der Jahre aber wuchs die Macht der Städte Sodom und Gomorrha, und die Könige dieser Städte ließen Willkür vor Gerechtigkeit herrschen und gaben Lasterhaftigkeit den Vorzug vor Gottesfurcht.
    »Dies erzürnte den Gott der Israeliten, und so entsandte er zwei Wesen, die Tacitus als Mala’ak ha-Mawet bezeichnet.«
    »Das ist aber kein Latein.«
    Tristan Marlowe nahm den Einwand zur Kenntnis: »Stimmt.«
    Die Boten Gottes reisten unerkannt und verkleidet als fahrende Händler nach Sodom, wo ihnen im Hause des Lot Gastfreundschaft zuteil wurde. Kaufleute der Stadt jedoch, die ihre Geschäfte bedroht sahen, versammelten sich vor dem Haus des Lot und verlangten die Herausgabe der Händler, von denen sie ihre Profite bedroht sahen.
    »Lot aber weigerte sich.«
    Denn der Schutz der Gäste unter seinem Dach war ihm heilig.
    »Doch die Kaufleute blieben hartnäckig.«
    »Sie sagen es.«
    Am Ende zeigten die Mala’ak ha-Mawet ihr wahres Gesicht und trugen Lot auf, mit seiner Familie in die Berge zu fliehen und keinen Blick zurückzuwerfen auf das, was hinter ihnen geschehen würde.
    »Unnötig zu erwähnen, dass Lots Frau sich umdrehte.«
    »Den Teil der Geschichte kenne ich.«
    Marlowe bemerkte mit einem Augenzwinkern: »Das Klischee in der Antike, die neugierige Frau.«
    Aurora schwieg.
    »Feuer regnete vom Himmel, so steht es in den Schriften von Bab edh-Dhra.«
    Beide Städte wurden von Hitze und Asche und Feuersäulen dem Erdboden gleichgemacht, und als Lots Frau sich umdrehte, um den Zorn Gottes zu erblicken, da erstarrte sie zu einer Säule aus Salz. Lot aber gelang die Flucht ins Gebirge, und mit seinen beiden Töchtern versteckte er sich in einer tiefen Höhle nahe Safi.
    »Die Neuigkeiten, von denen ich gesprochen habe«, sagte Tristan Marlowe, »fand ich in den Schriftrollen von Bab edh-Dhra.« Er lächelte freudig. »Dass Lot in der Höhle Zuflucht fand, ist der bekannte Teil der Geschichte. Was aber in der Höhle geschah, davon wird kaum mehr gesprochen. Nun ja, das Alte Testament liefert zwar eine Variante der Geschichte, die allerdings sehr fragwürdig erscheint.«
    »Nun machen Sie es nicht so spannend«, bat Aurora.
    Der junge Bibliothekar sah sich in der fast menschenleeren Bibliothek um und fuhr dann fort: »Eine der farbigsten Episoden des Alten Testaments berichtet davon, wie die Mädchen ihren Vater betrunken machen, damit er nicht bemerkt, wie er mit seinen Töchtern Söhne zeugt.«
    »Und?«
    »Das Alte Testament liefert keine plausible Begründung für die doch recht seltsame Handlungsweise der Töchter.« Er klopfte auf das Buch. »Diese Schriften schon.« Er grinste wie ein Junge, der im Garten eine Schachtel mit Sixpence-Münzen

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