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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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erzählte, vor rund einem Jahr sei ein Stollen in einen Berg getrieben worden auf Anraten eines Hatifs, der mehreren bedeutsamen Bürgern des Dorfes zugeredet habe, und daß einige interessante, wertvolle Funde ans Licht gekommen seien.
    Von der Straße draußen dröhnte Stiefelstampfen herein, das auf ein scharfes Kommando innehielt. Es erinnerte mich an die Kelau, die mit Gesang vom Fluß herauf und durch jenes Saltus marschiert waren, das ich als verstoßener Geselle aufgesucht hatte, und ich wollte schon von ihnen erzählen in der Hoffnung, damit das Gespräch auf den Krieg gegen Ascien zu lenken, als die Tür aufflog und ein farbenprächtig uniformierter Offizier hereintrat, dem Füsiliere folgten.
    Es war munter geplaudert worden in der Gaststube; nun wurde es totenstill.
    Der Offizier brüllte den Wirt an: »Zeig mir den Mann, den ihr Schlichter nennt!«
    Burgundofara, die mit Hadelin an einem Tisch saß, erhob sich und deutete auf mich.
     

 
Wieder in Nessus
     
    Als ich bei den Folterern lebte, sah ich oft, wie Klienten geschlagen wurden. Nicht von uns, denn wir vollstreckten nur Strafen, die verhängt waren, sondern von den Soldaten, die sie uns überstellten oder von uns abholten. Die Erfahrenen darunter schützten mit Armen Kopf und Gesicht und mit angewinkelten Beinen den Bauch; so blieb das Kreuz verwundbar, aber das Kreuz ließ sich sowieso kaum schützen.
    Vor dem Wirtshaus versuchte ich zunächst, mich zu wehren, und die schlimmsten Prügel bekam ich höchstwahrscheinlich ab, nachdem ich bewußtlos geworden war. (Vielmehr die Marionette, die ich von hoch oben lenkte.) Als ich mir Urth wieder gewahr wurde, nagelten nach wie vor Schläge auf mich nieder, so daß ich mich wie jene unglückseligen Klienten davor zu schützen versuchte.
    Die Füsiliere benutzten ihre Stiefel und, was weitaus gefährlicher war, die eisenbeschlagenen Kolben ihrer Flinten. Der Schmerz, der mich durchzuckte, schien fern; am heftigsten gewahrte ich die Schläge, die jähen, ruckenden, naturwidrigen.
    Schließlich war es vorbei, und der Offizier befahl mir, aufzustehen. Ich taumelte und stürzte, wurde getreten, versuchte es abermals und stürzte wieder. Eine Schlinge aus derbem Leder wurde mir um den Hals gelegt, und damit wurde ich hochgezogen. Sie strangulierte mich, aber half mir doch, wacklig Balance zu halten. Mein Mund war voller Blut; ich spie es immer wieder aus. Ob mir eine Rippe die Lunge durchstoßen hatte?
    Vier Füsiliere lagen auf der Straße, und ich entsann mich, einem die Waffe entrissen, aber es nicht geschafft zu haben, die Sicherung zu entrasten und damit einen Schuß abzugeben – von solchen Kleinigkeiten hängen oft unsre Geschicke ab. Die vier wurden von Kameraden untersucht und drei für tot befunden.
    »Du hast sie umgebracht!« schrie mich der Offizier an.
    Ich spuckte ihm Blut ins Gesicht.
    Es war keine vernunftmäßige Handlung, und ich erwartete weitere Schläge dafür, und die hätte ich vielleicht auch bekommen, hätten da nicht hundert Leute oder mehr um uns herum gestanden und zugeschaut im Licht, das aus den Fenstern des Gasthauses fiel. Raunend rückten sie hin und her, und mir war, als würden auch einige Soldaten so empfinden, was mich an die Wächter in Dr. Talos’ Schauspiel erinnerte, welche versucht hatten, Meschiane zu schützen, die Dorcas und unser aller Mutter war.
    Eine Bahre wurde herbeigeschafft für den verwundeten Füsilier, und zwei Männer aus dem Dorf wurden in die Pflicht genommen und mußten tragen. Ein Karren mit Stroh genügte für die Toten. Der Offizier, die verbliebenen Füsiliere und ich gingen dem Zug voraus zum Kai, von dem uns wenige Hundert Schritt trennten.
    Als ich einmal stürzte, eilten zwei Personen aus der Menge herbei, um mir zu helfen. Zunächst hielt ich sie für Declan und den Seemann oder auch Declan und Hadelin; aber als ich wieder auf den Füßen stand und ihnen zum Dank die Hand drückte, sah ich, daß es Fremde waren. Dieses Vorkommnis schien den Offizier zu erzürnen, der zur Warnung mit seiner Pistole vor ihnen in den Boden schoß, als ich ein zweites Mal hinfiel, und mich trat, bis ich wieder aufstand mit Hilfe der Schlinge und des Füsiliers, der sie hielt.
    Die Alcyone lag am Kai, genauso wie wir sie verlassen hatten; längsseits war allerdings ein Gefährt festgemacht, wie ich es noch nie gesehen hatte, mit einem Mast, der zu schwach wirkte für eine Segelbespannung und einer schwenkbaren Kanone auf dem Vordeck, die weitaus kleiner als

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