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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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groß wie Suppenteller und weinten blutige Tränen; Blut quoll auch aus der Nase.
    Ich wußte, daß sie wohl vom Meer aus dem Gyoll und seinem Nebenfluß gefolgt war, der sich durch die Gärten wand und auf dem ich einst mit Jolenta geschwommen war. Ich rief ihr zu: »Wie bist du gefangen und aus deinem Element vertrieben worden?«
    Ihre Stimme war, vermutlich weil sie weiblichen Geschlechts war, weniger tief, als ich erwartet hatte, obwohl sie durchaus tiefer als Baldanders’ Stimme dröhnte. Allerdings hatte sie einen fröhlichen Klang, als erfüllte sie, die sie sich durch die Tür kämpfte und zweifelsohne in den letzten Zügen lag, eine große Freude, die weder ihr Sterben noch das Sterben der Sonne trübte. Sie sagte: »Weil ich dich retten wollte …«
    Bei diesen Worten füllte sich ihr Mund mit Blut; sie spie es aus, und es floß das Blut wie in einem Schlachthaus.
    Ich fragte: »Vor den Stürmen und Feuersbrünsten, welche die Neue Sonne bringt? Wir danken dir, aber wir sind bereits gewarnt. Bist du nicht ein Werkzeug des Abaia?«
    »Trotzdem.« Sie hatte sich bis zur Taille durch die Tür gewuchtet. Nun wog ihr Fleisch anscheinend so schwer, daß es sich durchs schiere Gewicht von den Knochen lösen mußte. Ihre Brüste waren Heuschober, wie ein kopfstehendes Kind sie sieht. Mir war klar, daß es unmöglich wäre, sie zurück ins Wasser zu schaffen, daß sie hier im Amarantenen Hypogeum stürbe und daß hundert Mann nötig wären, um den Leichnam zu zerteilen, und hundert mehr, um ihn zu begraben.
    Der Chiliarch meinte: »Warum sollen wir dich dann nicht töten? Du bist ein Feind unsrer Republik.«
    »Weil ich gekommen bin, um euch zu warnen.« Sie hatte den Kopf auf den Terazzo sinken lassen, wo er in einem so unnatürlichen Winkel ruhte, daß womöglich der Hals gebrochen war; dennoch sprach sie noch.
    »Ich kann dir einen zwingenderen Grund liefern, Chiliarch«, bemerkte ich. »Weil ich es untersage. Sie hat mir einmal das Leben gerettet, als ich noch ein Kind gewesen bin. Ich erinnere mich an ihr Gesicht, der ich nichts vergesse. Ich wollte, ich könnte sie nun retten.« Ich sah ihr ins Gesicht, ein Gesicht von übernatürlicher Schönheit, das vom Eigengewicht entstellt war, und fragte sie: »Erinnerst du dich?«
    »Nein. Es ist noch nicht geschehen. Es wird geschehen, weil du es gesagt hast.«
    »Wie heißt du? Ich habe deinen Namen nie erfahren.«
    »Juturna. Ich will dich retten … Jetzt, nicht früher. Will euch alle retten.«
    »Wann hat Abaia uns je Gutes gewollt?« zischelte Valeria.
    »Stets. Er hätte euch vernichten können …«
    Sie mußte eine Pause von sechs Atemzügen einlegen, während ich Valeria und den andern zu schweigen bedeutete.
    »Frag deinen Gemahl! Binnen eines Tages oder weniger Tage. Statt dessen hat er versucht, euch zu bändigen. Catodon fangen, seinen Willenstrieb brechen. Was bringt’s? Abaia würde uns zu einem großen Volk machen.«
    Das erinnerte mich an die Frage, die Famulimus mir gestellt hatte, als ich ihr das erste Mal begegnete. »Ist die ganze Welt ein Kampf zwischen Gut und Böse? Habt ihr nicht daran gedacht, daß es vielleicht mehr sein könnte?« Und ich wähnte mich in den Marken einer nobleren Welt, wo ich wüßte, was es wäre. Meister Malrubius hatte mich von den Urwäldern des Nordens zum Ozean geführt und von Hammer und Amboß gesprochen, und ich glaubte, auch hier einen Amboß zu erahnen. Er war ein Aquastor gewesen wie diejenigen, die auf Yesod für mich gekämpft hatten und meinem Verstand entsprungen waren; somit hatte er wie ich geglaubt, daß die Undine mich gerettet habe, weil ich Folterer und Autarch sein würde. Vielleicht hatten weder er noch die Undine ganz unrecht.
    Während ich, in solchen Gedanken verloren, noch zögerte, tuschelten Valeria, die Prophetin und der Chiliarch miteinander; bald aber sprach die Undine weiter. »Euere Tage verblassen. Eine Neue Sonne … und ihr werdet Schatten sein.«
    »Ja!« Die Prophetin wäre wohl am liebsten vor Freude gehüpft. »Wir sind die Schatten, die ihre Ankunft wirft. Was mehr könnten wir uns wünschen?«
    »Es kommt noch jemand«, sagte ich, denn ich glaubte, polternde Tritte zu hören. Selbst die Undine hob den Kopf und lauschte.
    Das Geräusch, das ich nicht deuten konnte, wurde lauter und immer lauter. Ein seltsamer Wind strich durch den langen Saal und rüttelte am alten Behang, so daß der Fußboden bald mit Staub und Perlen übersät war. Mit donnerndem Getöse warf er die

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