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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Türflügel auf, die die Undine an der Taille eingeklemmt hatten, und trug den Duft heran – den ungestümen salzigen, der übel und üppig nach dem fruchtbaren Schoß einer Frau roch und den man, ist man ihm erst einmal begegnet, nimmer vergessen kann. In dem Moment hätte es mich also nicht gewundert, wenn ich das Tosen von Brandung oder das Geschrei von Möwen vernommen hätte.
    »Das Meer!« rief ich den andern zu und versuchte, mir zurechtzurücken, was sicherlich geschehen sein mußte. »Nessus muß unter Wasser stehen.«
    Valeria stöhnte. »Nessus wurde vor zwei Tagen überflutet.«
    Während sie dies sagte, hob ich sie hoch; ihr schmächtiger Körper war federleicht.
    Nun kamen die Wellen, die unzähligen weißmähnigen Rosse des Ozeans, die über die Schultern der Undine sprühten, so daß ich sie im ersten Moment zu sehen glaubte, als sähe ich zwei Welten nebeneinander, als Frau und Fels zugleich. Sie warf bei ihrer Ankunft den Kopf hoch und schrie voller Triumph und Verzweiflung auf. Es war das Wehklagen eines über die Wogen peitschenden Sturms, ein Schrei, den ich nie wieder hören möchte.
    Die Prätorianer trampelten die Stufen zum Podium herauf, um dem Wasser zu entkommen. Der junge Offizier, der bislang so ängstlich und schwächlich gewirkt hatte, nahm Jaders Schwester (die keine Prophetin mehr war, da sie nichts mehr zu prophezeien hatte) bei der Hand und zog sie mit sich.
    »Ich ertrinke nicht«, brummte Baldanders. »Und die andern zählen nicht. Rette dich, wenn du kannst.«
    Ich nickte, ohne mir etwas dabei zu denken, und zog mit der freien Hand den Vorhang auf. Die Prätorianer drängten vor, so daß die Glocken, die dreimal für mich erklungen waren, Sturm läuteten, so daß die morschen Schnüre rissen und sie mit Getöse zu Boden fielen.
    Ich flüsterte das Wort nicht, das unbrauchbar wäre, sondern brüllte es, womit ich die versiegelte Tür betätigte, durch die ich gekommen war. Sie flog auf, und herein kam der Meuchelmörder, der nach wie vor sprachlos war, wie betäubt vom Wissen um die aschfahlen Gefilde des Todes. Ich forderte ihn zum Stehenbleiben auf, aber schon hatte er die Krone und Valerias armes zerfurchtes Gesicht gesehen.
    Er muß ein berühmter Schwertkämpfer gewesen sein; kein Schiffsprofos hätte schneller zuschlagen können. Ich sah die vergiftete Klinge blitzen, spürte den feurigen Schmerz, als sie den armen abgezehrten Leib meiner Gemahlin durchbohrte und in mich drang und die Wunde wieder öffnete, die Agilus’ Averne vor so vielen Jahren gerissen hatte.
     

 
Morgenflut
     
    Es schimmerte ein azurnes Licht. Die Klaue war wieder da – freilich weder die Klaue, welche von der ascischen Artillerie zerstört worden war, noch die Klaue, die ich dem Chiliarchen von Typhons Prätorianern geschenkt hatte, sondern die Klaue des Schlichters, das Juwel, das ich in meiner Schwerttasche gefunden hatte, als ich mit Dorcas durch eine dunkle Straße an der Mauer von Nessus ging. Ich wollte es jemandem sagen, aber mein Mund blieb geschlossen, und ich fand keine Worte. Vielleicht war ich zu weit weg von mir, vom Severian aus Fleisch und Blut, der in einer Zelle der Oubliette unterm Matachin-Turm von Catherine geboren worden war. Die Klaue blieb, leuchtete schaukelnd aus dem dunklen Nichts.
    Nein, es war nicht die Klaue, die schaukelte, sondern ich; ich schaukelte, schaukelte sachte, während die Sonne mir den Rücken koste.
    Das Sonnenlicht mußte mich zurückgeholt haben aus meiner Ohnmacht, hätte es mich doch selbst von den Toten erweckt. Die Neue Sonne mußte kommen; und die Neue Sonne war ich. Ich hob den Kopf, schlug die Augen auf und spie einen Schwall kristallklarer Flüssigkeit, die keinem Wasser auf Urth verwandt war; Wasser war es wohl auch keines, sondern eine dichtere Atmosphäre, die stärkend wie Yesods Winde waren.
    Nun lachte ich vor Freude darüber, daß ich mich im Paradies wiederfand, und merkte beim Lachen, daß ich noch nie gelacht hatte, daß jede Freude, die ich je empfunden, nur eine dumpfe Ahnung, eine widrig entstellte war. Stärker als der Wille zu leben war der Wunsch nach einer Neuen Sonne für die Urth gewesen. Nun war die Neue Sonne der Urth hier, umspielte mich wie zehntausend strahlende Geister und bekrönte jede Welle mit lauterem Gold. Nicht einmal auf Yesod hatte ich eine solche Sonne geschaut! Ihre Pracht übertraf jeden Stern und glich dem Auge des Increatus, in das kein Feueranbeter blicken kann, ohne zu erblinden.
    Ich senkte den Blick

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