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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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enttäuscht. Auf diesem Schiff wurde ich wieder zum Kind und wußte nicht mehr von der Welt um mich herum als ein Kind.
    Die Kammer, in die Barbatus mich führte, war so wundersam für Severian den Mann – den Autarchen Severian, der auf Theclas Leben und das Leben des alten Autarchen und Hunderter anderer zurückgreifen konnte – wie das Mausoleum für das Kind. Ich bin versucht zu schreiben, daß sie mir vorkam wie unter Wasser, was sie nicht war. Vielmehr schienen wir in ein Fluidum einzutauchen, das nicht Wasser, sondern für eine andere Welt das war, was Wasser für die Urth war. Oder aber wir waren in der Tat unter Wasser, unter so kaltem Wasser, daß es in jedem See der Republik gefroren wäre.
    All dies war wohl lediglich ein Effekt, der vom Licht herrührte, vom frostigen Wind, der als kaum merklicher Hauch durch die Kammer zog, und von den Farben, den blau und schwarz unterlegten Grüntönen: Chromgrün, Meergrün und Aquamarin. Dumpf schimmerten hie und da mattes Gold und vergilbtes Elfenbein.
    Die Einrichtung bestand nicht aus Möbeln in unserem Sinne. Gesprenkelte steinartige Platten, die auf Berührung nachgaben, lehnten krumm an zwei Wänden und lagen auf dem Boden herum. Zerfetzte Bänder hingen von der Decke, die, weil sie so leicht waren und die Anziehung des Schiffes kaum zu spüren war, anscheinend keiner Aufhängung bedurften. Soweit ich es beurteilen konnte, war die Luft hier ebenso trocken wie im Korridor; dennoch schlug sich zarter Reif in meinem Gesicht nieder.
    »Ist dieser seltsame Raum euer Gemach?« fragte ich Barbatus.
    Er nickte, während er seine Masken absetzte und ein Antlitz enthüllte, das zugleich schön, unmenschlich und vertraut war. »Wir haben die Kammern gesehen, die dein Volk errichtet. Sie wirken auf uns genauso unangenehm, wie diese auf dich unangenehm wirken muß, und da wir zu dritt sind …«
    »Zu zweit«, sagte Ossipago. »Für mich spielt’s keine Rolle.«
    »Es stört mich nicht, ich bin entzückt! Es ist das allerhöchste Privileg für mich, wenn ich sehen darf, wie ihr lebt, wenn ihr lebt, wie es euch gefällt.«
    Famulimus’ falsches Menschengesicht war weg; es zeigte sich eine glotzäugige Fratze mit nadelspitzen Zähnen; schließlich setzte sie auch diese ab, und ich schaute (zum letzten Mal, wie ich seinerzeit mutmaßte) die Schönheit einer nicht von Menschen geborenen Göttin. »Wie schnell wir lernen, Barbatus, daß diese armen Leute, denen wir begegnen und die kaum ahnen, was für uns selbstverständlich ist, sich zu benehmen wissen als Gast.«
    Wenn ich auf diese Äußerung gemerkt hätte, hätte sie mir sicher ein Lächeln entlockt. So aber war ich noch viel zu sehr damit beschäftigt, mich in der seltsamen Kabine umzusehen. Schließlich sagte ich: »Ich weiß, eure Rasse ist von den Hierogrammaten geformt worden nach dem Vorbild jener, die sie einst geformt haben. Nun sehe ich oder glaube zu sehen, daß ihr einmal Teiche und Seen bewohnt habt, Nixen gewesen seid, wie solche bei uns im Volksmund heißen.«
    »In unserer Heimat«, erklärte Barbatus, »entstieg das Leben wie in eurer Heimat dem Meer. Diese Kammer hingegen ist ebensowenig nach jenen düsteren Anfängen gestaltet, wie eure Kammern den Bäumen nachempfunden sind, in denen eure Ahnen getollt haben.«
    Ossipago knurrte: »Wer wird denn jetzt schon streiten.« Er hatte seine Maskerade nicht abgenommen, die sein Wohlbefinden offenbar nicht beeinträchtigte; übrigens habe ich ihn nie ohne gesehen.
    »Barbatus, er hat recht«, säuselte Famulimus. Dann an mich gewandt: »Du verläßt deine Welt, Severian. Wie du verlassen wir drei die unsrige. Wir schwimmen gegen den Strom der Zeit – du treibst mit diesem Strom. Dies Schiff trägt uns alle. Für dich sind die Jahre vergangen, wenn wir dir den Rat geben. Für uns beginnen sie jetzt. Nun sei gegrüßt, Autarch. Wir haben einen Rat für dich. Um die Sonne deiner Rasse zu retten, ist nur eins vonnöten: daß du Tzadkiel dienest.«
    »Wer ist das?« fragte ich. »Und wie soll ich ihm dienen? Hab nie von ihm gehört.«
    Barbatus schnaubte. »Was mich nicht ganz überrascht, denn Famulimus sollte dir diesen Namen nicht nennen. Wir werden ihn nicht mehr gebrauchen. Er aber – derjenige, von dem Famulimus sprach – ist der für deinen Fall bestellte Richter. Er ist ein Hierogrammat, wie zu erwarten ist. Was weißt du von Hierogrammaten?«
    »Sehr wenig; ich weiß nur, daß sie eure Herren sind.«
    »Dann weißt du wirklich sehr wenig; selbst das

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