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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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hindeuteten; dennoch verstand ich dies erst, nachdem sie verschwunden waren.
    Hundertmal durchlebte ich die regnerische Nacht, in der ich vom Dach dieses nämlichen Hauses gestiegen war, um Hildegrin zu helfen. Wie nahe war ich Apu-Punchau gekommen, ehe ich mit ihm verschmolz? Fünf Ellen? Drei Ellen? Ich war mir nicht sicher. Sicher war es freilich kein Geheimnis, warum Famulimus mich davor gewarnt hatte, ihn vernichten zu wollen; sollte ich dicht herangehen, um auf ihn einzuschlagen, würden wir verschmelzen, wobei er, der er doch tiefere Wurzeln in diesem Universum hatte, mir überlegen wäre, genau wie ich ihm überlegen sein sollte in unvorstellbar ferner Zukunft, wenn ich mit Jolenta und Dorcas an diesen Ort käme.
    Hätte ich freilich einen Hang zum Mysteriösen gehabt (den ich gewiß nicht hatte), so gab es Rätsel genug. Der Weiße Born schien bereits, das stand wohl fest, denn ohne ihn hätte ich nicht an diesen urzeitlichen Ort kommen oder die Kranken heilen können. Warum aber war ich dann nicht imstande, die Korridore der Zeit zu beschreiten wie am Mount Typhon? Es boten sich dafür zwei Erklärungen an.
    Die erste war schlicht die, daß mir am Mount Typhon die Angst gewaltig Beine machte. Wir sind am stärksten in der Krise, und Typhons Soldaten kamen sicherlich zu mir, um mich zu töten. Dennoch steckte ich auch nun in einer Krise, denn jeden Moment mochte Apu-Punchau aufstehen, um mir auf den Leib zu rücken.
    Die zweite Erklärung war, daß die Macht, die ich vom Weißen Born empfing, sich mit der Entfernung verminderte genau wie sein Licht. In Typhons Tagen mußte ich der Urth viel näher gewesen sein als in ApuPunchaus Zeit. Falls meine Macht allerdings tatsächlich vermindert wäre, so würde ein Tag mehr kaum einen Unterschied ausmachen, und mehr als einen Tag konnte ich mir nicht erhoffen, sobald mein anderes Selbst wieder am Leben und mir so nahe wäre.
    Es wurde der längste Tag in meinem Leben. Hätte ich lediglich auf den Anbruch des Abends gewartet, so hätte ich Erinnerungen nachgehen und zurückdenken können: etwa an jenen wunderlichen Abend, als ich durch den Wasserweg schritt, an die Geschichten, die im Lazarett der Pelerinen erzählt wurden, oder an die kurzen Ferien, die ich einst mit Valeria an der See verlebte. Freilich getraute ich mich nicht; und sobald ich in meiner Wachsamkeit nachließ, kamen mir unaufgefordert schreckliche Erlebnisse in den Sinn. Meine Gefangenschaft im Dschungel-Ziggurat von Vodalus, das Jahr unter Asciern, meine Flucht vor den weißen Wölfen im Geheimen Haus und tausend ähnliche Schrecknisse. Mit einemmal war mir, als verlange ein Dämon, daß ich mein klägliches Leben Apu-Punchau übergebe, und dieser Dämon war ich selbst.
    Allmählich wurde es still in der steinernen Stadt. Das Licht, das zuvor durch die mir am nächsten gelegene Wand gedrungen war, kam nun, das Dunkel erhellend, durch die Wand hinter dem Altar, auf den Apu-Punchau gebettet war, wie durch die Ritzen gestopftes Blattgold.
    Schließlich schwand es. Ich stand, an allen Gliedern steif, auf und tastete die Wand nach Schwachstellen ab.
    Sie war aus megalithischen Steinen gefügt, zwischen die kleinere Steine gekeilt waren, die Arbeiter mit schweren Holzhämmern hineingetrieben hatten. Die kleinen Steine saßen so fest, daß ich an fünfzig oder mehr rütteln mußte, bis ich einen losen fand; darüber hinaus mußte ich, wie ich wußte, einen großen Stein entfernen, um ein Loch aufzubrechen, durch das ich paßte.
    Ich ruckte und stocherte und brauchte allein für den kleinen Stein mindestens eine Wache. Mit einem Jaspis-Dolch kratzte ich den Lehm ringsum weg, um ihn und drei weitere zu zerbrechen beim Versuch, den Stein zu lockern. Einmal ließ ich angewidert davon ab und kletterte wie eine Spinne an der Wand zum Dach, durch das ich mir, wie einst beim Strohdach im Haus der Zauberer, einen einfacheren Weg in die Freiheit erhoffte. Indes war das Kuppeldach fest wie die Mauer, und so sprang ich wieder auf den Boden und kratzte mir die Finger blutig am losen Stein.
    Als ich mir schon sicher war, daß ich ihn nie herausbekäme, fiel er mit einemmal klappernd zu Boden. Wie gelähmt wartete ich fünf Atemzüge lang, fürchtete ich doch, Apu-Punchau könnte wach werden. Soweit ich es beurteilen konnte, rührte er sich jedoch nicht.
    Dafür rührte sich etwas anderes. Der riesige Stein darüber verrutschte ein ganz klein wenig nach links. Der harte Lehm sprang, und das knackte in der Stille wie

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