Die Urth der Neuen Sonne
brechendes Eis auf einem Fluß; die Brocken rieselten auf mich herab.
Ich trat zurück. Es knirschte wie von einer Mühle, woraufhin noch mehr Lehm rieselte. Ich trat auf die Seite, und schon krachte der große Stein zu Boden und ließ ein rundes schwarzes Loch voller Sterne zurück.
Einen sah ich, den ich als mein Selbst erkannte, einen nadelfeinen Lichtpunkt, der fast unterging im Gefunkel zehntausend andrer.
Sicherlich hätte ich warten sollen; immerhin hätte noch ein Dutzend großer Steine herabfallen können nach dem ersten. Allein ich wartete nicht. Mit einem Satz sprang ich auf den Stein am Boden und von dort in das Loch und hinaus auf die Straße. Der Lärm hatte natürlich die Leute geweckt; ich hörte die grimmigen Stimmen, sah den roten Feuerschein durch ihre Türen schimmern, als die Frauen die verlöschende Glut anfachten, während die Männer nach Speeren und gezähnten Streitkolben suchten.
Mich kümmerte das nicht. Um mich herum taten sich die Korridore der Zeit auf, wogende Weiden, über die sich der tiefhängende Himmel der Zeit spannte und in denen die Bäche murmelten, die vom höchsten Universum überhaupt zum geringsten fließen.
Das buntflügelige Tzadkielchen flatterte bei einem, der grüne Mann lief bei einem andern. Ich wählte einen, der einsam war wie ich und trat hinein. Hinter mir, eine seltene Verbindung, kam Apu-Punchau aus dem Haus und hockte sich hin und aß gekochten Mais und gebratenes Fleisch, Gaben seines Volkes. Auch ich hatte Hunger. Ich winkte ihm, und dann sah ich ihn nicht mehr.
Als ich in die Welt namens Ushas zurückkehrte, landete ich auf einem Sandstrand – dem Strand, von dem aus ich nach Juturna getaucht war, und zwar so nahe am ursprünglichen Ort und an der ursprünglichen Zeit, wie ich es einrichten konnte.
Rund fünfzig Ellen vor mir stapfte ein Mann durch den nassen Sand, der ein Schneidebrett mit einem Berg dampfender Fische darauf trug. Ich folgte ihm, und nach zwanzig Schritten kam er zu einem Häuschen, von dem Gischt tropfte, aber das mit Windblumen geschmückt war. Hier setzte er das Brett in den Sand, trat zwei Schritte zurück und kniete nieder.
Als ich aufholte, fragte ich ihn in der Sprache der Republik, wer den Fisch essen solle.
Er blickte um; die Überraschung darüber, einem Fremden zu begegnen, stand ihm im Gesicht geschrieben. »Der Schläfer«, antwortete er, »der hier schläft und fastet.«
»Wer ist der Schläfer?« wollte ich wissen.
»Der einsame Gott. Man spürt ihn hier, den ewig Schlafenden, ewig Hungrigen. Ich bringe den Fisch, um ihm zu zeigen, daß wir seine Freunde sind, auf daß er uns nicht verschlingt, wenn er erwacht.«
»Spürst du ihn auch jetzt?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Manchmal ist es stärker – so stark, daß wir ihn im Mondschein hier liegen sehen, obgleich er verschwindet, wenn der Tag naht. Heute habe ich ihn zunächst überhaupt nicht gespürt.«
»Zunächst?«
»Ich spüre ihn jetzt«, sagte er, »seitdem du gekommen bist.«
Ich hockte mich in den Sand, nahm mir ein großes Stück Fisch und bedeutete dem Mann, er solle sich zu mir setzen. Der Fisch war so heiß, daß ich mir die Finger verbrannte, also wußte ich, daß er nahebei gekocht worden war. Nun setzte er sich ebenfalls, aber aß erst, als ich ihn ein zweites Mal aufforderte.
»Tust du das immer?«
Er nickte. »Jeder Gott hat jemanden, ein männlicher einen Mann, ein weiblicher eine Frau.«
»Priester oder Priesterin.«
Er nickte wieder.
»Es gibt nur einen Gott, den Increatus. Alle andern sind seine Geschöpfe.« Beinahe hätte ich hinzugefügt: ›Auch Tzadkiel.‹
»Ja«, sagte er und wandte das Gesicht ab, wohl um meine Miene nicht zu sehen, sollte er Anstoß erregen. »Für Götter gilt das gewiß. Aber für demütige Geschöpfe wie den Menschen gibt es vielleicht niedrigere Götter.
Gegenüber der armen elenden Menschheit stehen diese niedrigen Götter ungemein hoch. Wir sind bestrebt, ihnen zu gefallen.«
Ich lächelte, um ihm zu zeigen, daß ich ihm nicht zürnte. »Und was tun diese niedrigen Götter, um den Menschen zu helfen?«
»Es sind ihrer vier.«
Sein Leierton verriet mir, daß er diese Sprüche oft verkündete – bestimmt auch in der Unterweisung von Kindern.
»Der erste und größte ist der Schläfer. Er hat immer Hunger. Er hat einst das ganze Land verschlungen, was er wieder tun mag, wird er nicht gespeist. Obwohl der Schläfer ertrunken ist, kann er nicht sterben – darum schläft er hier am
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