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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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mit einer Kopfbewegung in die entsprechende Richtung. »Willst mit ihr reden. Sie will sicher auch mit dir reden.«
    »Nein«, sagte ich. »Richte ihr aus, ich rede morgen früh mit ihr.« Ich überlegte, was ich noch sagen könnte, aber es fiel mir nur dies ein: »Sag ihr, was sie getan hat für mich, das hat jeden Schaden wiedergutgemacht.«
    Zak nickte und ging.
    Beim Namen Gunnie fielen mir Idas’ Chrysos wieder ein. Ich öffnete das Scheidentäschchen und vergewisserte mich mit einem kurzen Blick, daß sie noch da waren, woraufhin ich mich niederlegte und schlief.
    Als ich erwachte – ich zögere, von Morgen zu sprechen, weil es keinen richtigen Morgen gab –, waren die meisten Seeleute schon auf den Beinen und aßen, was vom Festschmaus am Abend davor noch übrig war. Zu Sidero hatten sich nun zwei schlanke Automaten gesellt, Geschöpfe, wie auch Jonas eines gewesen sein mußte. Das Trio stand abseits von uns und unterhielt sich so leise, daß ich nichts verstehen konnte.
    Ich war mir nicht sicher, ob diese willensstarken Apparate den Kapitän und den höheren Offizieren näher standen als Sidero, und während ich noch überlegte, ob ich zu ihnen gehen und mich ihnen zu erkennen geben sollte, verabschiedeten sie sich und verschwanden sogleich im Labyrinth der Gänge. Sidero kam zu mir, als hätte er meine Gedanken gelesen.
    »Jetzt können wir reden«, sagte er.
    Ich nickte und erklärte, daß ich ihm und den anderen eben offenbaren wollte, wer ich sei.
    »Das brächte gar nichts. Ich habe nachgefragt bei unserer ersten Begegnung. Du bist nicht, was du vorgibst zu sein. Der Autarch ist in Sicherheit.«
    Ich hob an zu protestieren, aber er bedeutete mir mit hochgehaltener Hand zu schweigen. »Streiten wir jetzt nicht. Ich weiß, was mir gesagt worden ist. Ich will dir etwas erklären, bevor wir uns wieder in die Haare geraten. Ich war grob zu dir. Es ist mein Recht und meine Pflicht, zu bestrafen und zu züchtigen. Zudem war es mir ein Vergnügen.«
    Ich fragte ihn, ob er damit auf die Prügel anspielte, die er mir verpaßte, während ich bewußtlos war, und er nickte. »Ich darf nicht.« Er wollte offenbar mehr sagen, überlegte es sich dann aber anders. Schließlich fügte er hinzu: »Ich kann es nicht erklären.«
    »Wir wissen moralische Gründe zu berücksichtigen«, erklärte ich ihm.
    »Nicht in dem Maße wie wir. Ihr bildet es euch ein. Wir tun es, und dennoch begehen wir oft Fehler. Wir dürfen Menschen opfern, um unsere Existenz zu sichern. Wir sind weisungsberechtigt gegenüber Menschen. Wir dürfen strafen und züchtigen. Aber wir dürfen nicht werden wie ihr. Und das habe ich getan. Ich muß Wiedergutmachung leisten.«
    Ich erwiderte, das habe er bereits getan, er habe alles wiedergutgemacht, indem er mich vor den Gierern rettete.
    »Nein. Du hast gekämpft und ich habe gekämpft. Ich muß dafür bezahlen. Wir ziehen in eine größere Schlacht, die letzte vielleicht. Die Gierer haben schon früher gestohlen. Jetzt erheben sie sich, um zu morden, um das Schiff an sich zu reißen. Der Kapitän hat die Gierer zu lange geduldet.«
    Ich spürte, wie schwer es ihm fiel, sich kritisch über seinen Kapitän zu äußern, und daß er sich am liebsten abwenden wollte.
    »Ich bezahle«, sagte er, »indem ich dich entschuldige.«
    Ich fragte: »Du meinst, ich brauche nicht mit dir und deinen Seeleuten in die Schlacht zu ziehen, wenn ich nicht möchte?«
    Sidero nickte. »Wir werden bald kämpfen. Also verschwinde schleunigst.«
    Genau das war natürlich meine Absicht gewesen, aber das änderte sich jetzt. Sich aus freien Stücken geschickt vor einer drohenden Gefahr zu drücken, das war eine Sache – aber vom Schlachtfeld verwiesen zu werden wie ein Kastrat, das war ein ganz anderer Fall.
    Kurz darauf gab unser metallener Führer den Befehl zum Antreten. Der Anblick meiner versammelten Kameraden erfüllte mich keineswegs mit Zuversicht; Guasachts Irreguläre wären im Vergleich dazu wahre Elitetruppen gewesen. Ein paar hatten Musketen, Sidero und ein paar Caliver, jene Waffe also, mit der wir Zak gefangen hatten. (Belustigt stellte ich fest, daß auch Zak eine solche Waffe trug.) Ein paar andere trugen Piken oder Spieße; die meisten, darunter auch Gunnie, die in einiger Entfernung von mir stand und nicht herschauen wollte, hatten nur ein Messer.
    Und dennoch marschierten alle ganz unverzagt vorwärts und erweckten den Eindruck, den Kampf nicht zu fürchten, obgleich es wohl irgendwo wahrscheinlich war, daß

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