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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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gemacht. Nun erfuhr ich es durch einen Sinn, der dem Augenlicht überlegen ist, und ich umfing es, wie es mich umfing. Ich fand mein Lumpenlager, aber erreichen konnte ich es nicht.
    Schmerz holte mich zurück. Vielleicht ist das sein Zweck, vielleicht ist er aber auch nur die Kette, die uns ans ewige Jetzt bindet, geschmiedet in einer Schmiede, über die wir nur spekulieren können, von einem Schmied, den wir nicht kennen. Doch wie dem auch sei mochte, ich verspürte, wie mein Bewußtsein in sich zusammensackte wie die Materie im Herzen eines Sterns, wie ein Bauwerk, wenn Stein zu Stein strebt, wie sie in den Anfängen im Innern der Urth vereint waren, wie eine Urne, die bricht. Zerlumpte Gestalten beugten sich über mich, darunter viele Menschen. Die allergrößte war die zerlumpteste, und das mutete mich seltsam an, bis ich erkannte, daß dieser Geselle vielleicht keine passende Kleidung bekam und weiterhin trug, was er an Bord getragen hatte, nachdem es geflickt und immer wieder geflickt war.
    Er packte mich und richtete mich auf, wobei andere ihm halfen, obwohl er keinerlei Hilfe bedurft hätte. Es war der Gipfel der Torheit, mit ihm zu kämpfen – sie waren mindestens zu zehnt und allesamt bewaffnet. Dennoch wehrte ich mich, schlug zu und ließ mich schlagen in einer Rauferei, die ich nicht gewinnen konnte. Seitdem ich mein Manuskript ins Nichts geworfen hatte, wurde ich scheinbar willenlos hin- und hergestoßen, wobei ich jeweils nur wenige Momente lang Herr meiner selbst war. Nun war ich bereit, auf jeden einzuschlagen, der über mich bestimmen wollte, und wäre es das Schicksal, das über mich bestimmte, so würde ich selbst gegen dieses losschlagen.
    Aber es war zwecklos. Ich konnte so viel ausrichten gegen den Anführer, wie ein etwa Zehnjähriger mit verzweifelter Gegenwehr gegen mich hätte ausrichten können. Er drehte mir die Arme auf den Rücken, und ein anderer fesselte sie dort mit Draht und stieß mich vor sich her. So angetrieben, stapfte ich dahin und wurde schließlich in einen schmalen Raum geschoben. Dort stand der Autarch Severian, von seinen Höflingen der Große genannt, königlich angetan mit einer gelben Robe und einem edelsteingeschmückten Mantel, das Zepter der Macht in der Hand.
     

 
Schlachten
     
    Es war nur ein Bild, das freilich so echt wirkte, daß ich schon glaubte, dort stünde ein zweites Ich. Vor meinen Augen drehte es sich um, winkte mit grotesker Erhabenheit in eine leere Ecke des Raumes und tat zwei Schritte. Mit dem dritten verschwand es; aber kaum war es weg, erschien es an der Stelle wieder, wo es zuerst sichtbar geworden war. Eine Weile verharrte es dort, dann winkte es abermals und trat vor.
    Der bauchige Anführer krächzte einen Befehl in einer Sprache, die mir fremd war, und jemand löste die Drahtschlinge, mit der mir die Hände gefesselt waren.
    Wieder trat mein Ebenbild vor. Erst nachdem ich mich der Verachtung, die ich ihm entgegenbrachte, weitgehend entledigt hatte, bemerkte ich sein Hinkebein und seine hochnäsige Kopfhaltung. Der Anführer sprach wieder, und ein kleiner Mann mit schmutzigem grauen Haar, der an Hethor erinnerte, meinte: »Er will, daß du es ihm nachmachst. Wenn nicht, töten wir dich.«
    Ich hörte ihn kaum. Ich besann mich des Putzes und der Gebärden und wurde, obwohl ich nicht den geringsten Wunsch hatte, im Geiste in jene Zeit zurückzukehren, davon gepackt wie von den unersättlichen Flügeln im Luftschacht. Die Pinasse (welche, was ich damals noch nicht wußte, lediglich das Beiboot dieses großen Schiffes war) ragte mit ihrem silbrig-spinnwebartigen Landungssteg vor mir auf. Meine Prätorianer bildeten Schulter an Schulter eine Gasse, die mehr als eine Meile maß, eine blitzende Gasse, von der nicht viel zu sehen war.
    »Schnappt ihn!«
    Zerlumpte Männer und Frauen umschwärmten mich. Ich glaubte schon, sie würden mich töten, weil ich nicht gehen und den Arm heben wollte. Ich wollte ihnen zurufen, noch zu warten, aber zu so etwas blieb keine Zeit mehr.
    Jemand packte mich am Kragen, bis es mich würgte, und zog mich zurück. Das war ein Fehler; als ich gegen ihn prallte, war ich ihm so nahe, daß er seinen Streitkolben nicht einsetzen konnte, und ich rammte ihm die Daumen in die Augen.
    Violettes Licht fuhr in die rasende Menge; ein halbes Dutzend starb. Ein weiteres Dutzend mit lädierten Gesichtern und fehlenden Gliedmaßen kreischte. Es roch süßlich nach verbranntem Fleisch. Ich entriß dem Mann, den ich geblendet hatte,

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