Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
Vom Netzwerk:
Boden niederließen, wo vermutlich die Dorfältesten Rat hielten.
    Jemand trat vor uns, verneigte sich und fragte, ob ich etwas wünschte. Ich verlangte nach Wasser. Eine Frau brachte kühles Naß vom Fluß in einem Krug, der sich beschlug und über den ein Becher gestülpt war. Herena hatte zu meiner Rechten Platz genommen und Burgundofara zur Linken, und wir reichten den Becher zwischen uns umher.
    Der Hetman von Gurgustii kam herbei. Mit einer Verbeugung erklärte er, auf Bregwyn deutend: »Mein Bruder sagt, daß Ihr in einem Schiff in sein Dorf gekommen seid, das über die Wolken segelt, und daß Ihr gekommen seid, um uns mit den Mächten des Himmels zu versöhnen. All unser Lebtag sind wir zu den heiligen Stätten gegangen und haben unseren Opferrauch emporgesandt, dennoch zürnt das Himmelsvolk unsrer und sendet Frost. In Nessus sagt man, die Sonne erkalte …«
    »Wie weit ist’s?« unterbrach Burgundofara.
    »Das nächste Dorf ist Os, gnädige Frau. Von dort aus fährt man einen Tag per Schiff nach Nessus.«
    »Und von Nessus kriegen wir eine Überfahrt nach Liti«, flüsterte Burgundofara mir zu.
    Der Hetman fuhr fort: »Dennoch erhebt der Monarch Steuern wie eh und je und nimmt unsre Kinder, wenn wir ihm kein Getreide geben können. Wir sind zu den heiligen Stätten gegangen wie unsre Väter. Wir von Gurgustii haben unsern besten Widder verbrannt vor dem Frosteinbruch. Was ist’s, das wir statt dessen tun sollen?«
    Ich versuchte, ihnen zu erklären, daß die Hierodulen uns fürchteten, weil wir uns in den alten glorreichen Tagen der Urth über alle Welten ausgebreitet und viele andere Rassen ausgerottet und unsre Grausamkeit und die Fackel des Krieges überall hingetragen hatten. »Wir müssen eins sein«, sagte ich. »Wir dürfen nur die Wahrheit sagen, auf daß Verlaß ist auf unsre Versprechen. Wir müssen die Urth hegen, wie ihr eure Äcker hegt.«
    Er und manch anderer nickten, als hätten sie verstanden. Vielleicht verstanden sie mich wirklich, oder aber sie verstanden mich wenigstens teilweise.
    Es brach ein Tumult aus hinten in der Menge; Geschrei und Jubel und Schluchzen. Alle, die gesessen hatten, sprangen auf, obwohl ich zu müde dazu war. Nach weiterem Geschrei und Geplärr wurde der Kranke vorgeführt, der immer noch nackt war bis auf ein Tuch, das ich als Stück seiner wollenen Decken erkannte und das er sich um die Lenden gebunden hatte.
    »Das ist Declan!« rief jemand. »Declan, berichte dem Sieur, wie du gesund geworden bist.«
    Er versuchte zu sprechen, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Ich bedeutete den andern, still zu sein.
    »Als ich in meinem Bett lag, Herr, erschien mir ein in Licht gewandeter Seraph.« Die Leibeigenen kicherten bei seinen Worten und stießen sich in die Seite. »Er fragte mich, ob ich sterben wolle. Ich antwortete ihm, ich wolle leben, worauf ich in Schlaf fiel. Als ich wieder erwachte, war ich, wie ihr mich jetzt seht.«
    Die Leibeigenen lachten, und einige sagten: »Der Sieur hier hat dich geheilt«, und dergleichen mehr.
    Ich rief ihnen zu: »Der Mann war dabei, ihr aber wart es nicht! Ihr macht euch lächerlich, wenn ihr behauptet, mehr zu wissen als ein Augenzeuge!« Das war die Frucht der vielen Verhandlungstage, denen ich beim Gericht des Archons zu Thrax beigewohnt hatte, und mehr noch, fürchte ich, die Frucht der Erfahrung, die ich als Autarch und Richter gesammelt hatte.
    Obwohl Burgundofara nach Os weiterziehen wollte, war ich zu müde, um noch einen Schritt zu tun an jenem Tag; außerdem wollte ich nicht wieder in einer stickigen Hütte schlafen. Ich sagte den Dorfbewohnern von Gurgustii, daß Burgundofara und ich unter ihrem Ratsbaum schlafen wollten und daß sie in ihren Häusern Unterkünfte für diejenigen finden sollten, die mich von Vici begleitet hatten. Sie taten, was ich verlangte; als ich indes in den Wachen der Nacht erwachte, lag Herena bei uns.
     

 
Ceryx
     
    Als wir Gurgustii verließen, wären viele der Leibeigenen mit uns gezogen, wie uns auch ein paar derjenigen, die uns von Vici hergebracht hatten, begleitet hätten. Ich verwehrte mich dagegen, der ich nicht wie ein Relikt herumgekarrt werden wollte.
    Zunächst wollten sie es nicht einsehen; aber als sie merkten, daß ich unnachgiebig blieb, begnügten sie sich mit langatmigen (sich oft ständig wiederholenden) Dankesreden und Geschenken. Für mich gab es einen knorrigen Wanderstab, das verwegene Werk der zwei besten Holzschnitzer am Ort, für Burgundofara einen bunt

Weitere Kostenlose Bücher