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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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was es heißt, den Willen zu stählen, bis er hart wie Eisen ist? Den Geist vor sich herzutreiben wie einen Sklaven? Unentwegt nach einem Ziel zu trachten, das nie erreichbar ist, nach einem Preis, der so fern ist, daß er wohl nie erreichbar sein wird?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Gib Antwort! Sag’s ihnen!«
    »Nein«, erwiderte ich, »ich habe dergleichen nicht getan.«
    »Dennoch ist’s das, was getan werden muß, wenn du das Zepter des Increatus ergreifen willst!«
    Ich erwiderte: »Das Zepter des Increatus ergreifen? Das ist mir neu. Ehrlich gesagt glaube ich, daß es unmachbar wäre. Willst du wie der Increatus sein, so erreichst du das schwerlich, indem du handelst, wie der Increatus nicht handelt.«
    Ich faßte Burgundofara beim Arm und zog sie weg. Wir hatten eine schmale Seitengasse passiert, als der Stock, den ich in Gurgustii bekommen hatte, mit einem lauten Knacken entzweibrach. Ich warf die Hälfte, die ich noch in der Hand hielt, in den Rinnstein, woraufhin wir unsern Weg bergan vom Ufer zum Chowder Pot fortsetzten.
    Es war ein recht ordentliches Wirtshaus; mir fiel auf, daß die Leute, die sich in der Gaststube aufhielten, fast ebensoviel aßen, wie sie tranken, was immer ein gutes Zeichen war. Als sich der Wirt über den Tresen beugte, um uns zu begrüßen, fragte ich, ob er ein Nachtmahl und ein ruhiges Zimmer anzubieten habe.
    »Aber ja, Sieur. Zwar nicht standesgemäß, Sieur, aber so gut wie alles, was Ihr sonst in Os findet.«
    Ich holte einen von Idas’ Chrysos hervor. Er nahm ihn entgegen, machte momentan große Augen und erklärte: »Selbstverständlich, Sieur, selbstverständlich. Morgen früh kann ich Euch Wechselgeld herausgeben, Sieur. Vielleicht möchtet Ihr Euer Mahl auf dem Zimmer einnehmen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Einen Tisch also. Möglichst nicht bei der Tür, Tresen oder Küche. Verstehe. Dort drüben, Sieur – der mit dem Tischtuch. Wäre der recht?«
    Ich bejahte.
    »Wir haben diversen Süßwasserfisch, Sieur. Fangfrisch obendrein. Unser Chowder ist recht berühmt. Seezunge und Lachs, geräuchert oder gepökelt. Wild, Rind, Kalb, Lamm, Geflügel …?«
    Ich entgegnete: »Ich habe gehört, Nahrung ist hierzulande knapp.«
    Er zog ein betrübtes Gesicht. »Mißernten. Jawohl, Sieur. Die dritte am Stück. Brot ist sehr teuer – nicht für Euch, Sieur, sondern für die Armen. Manch armes Kind geht heut nacht hungrig zu Bett, also seien wir froh, daß wir nicht hungern müssen.«
    »Hast du keinen frischen Lachs?« erkundigte sich Burgundofara.
    »Leider nur im Frühling. Beim Lachssprung, gnädige Frau. Sonst werden sie im Meer gefangen und überstehen die lange Fahrt flußauf nicht.«
    »Dann gepökelten Lachs.«
    »Er wird schmecken, gnä’ Frau. In unsrer Küche eingelegt, kein Vierteljahr ist’s her. Keine Sorge wegen Brot und Obst und so weiter. Wir bringen alles, und Ihr könnt wählen, wenn Ihr es seht. Wir haben Bananen aus dem Norden, obwohl sie durch die Rebellion teuer geworden sind. Rotwein oder weißen?«
    »Roten, denke ich. Ist er zu empfehlen?«
    »Sämtliche unsrer Weine sind zu empfehlen, gnä’ Frau. Ich habe kein Faß im Keller stehn, das nicht zu empfehlen wäre.«
    »Dann den roten.«
    »Sehr recht, gnä’ Frau. Und für Euch, Sieur?«
    Noch vor einem Moment hätte ich behauptet, nicht hungrig zu sein. Jetzt lief mir beim bloßen Gedanken an Essen das Wasser im Munde zusammen; es war ein Ding der Unmöglichkeit zu entscheiden, was ich am liebsten hätte.
    »Fasan, Sieur? Wir haben einen prächtigen Fasan kühlgelegt.«
    »Jawohl. Aber keinen Wein. Matetee. Hast du solchen?«
    »Selbstverständlich, Sieur.«
    »Dann trinke ich den. Lange her, daß ich den letzten probierte.«
    »Er wird gleich fertig sein, Sieur. Sonst noch etwas für den Herrn?«
    »Nur ein zeitiges Frühstück morgen. Wir wollen uns einschiffen nach Nessus. Dann erwarte ich auch mein Wechselgeld.«
    »Wird bereit sein, Sieur. Und ein schönes heißes Frühstück obendrein. Wurst, Sieur. Schinken und …«
    Ich winkte nickend ab.
    Als er gegangen war, fragte Burgundofara: »Warum wolltest du nicht auf dem Zimmer essen? Das wäre viel netter gewesen.«
    »Weil ich etwas in Erfahrung zu bringen hoffe. Und weil ich nicht allein sein, ins Grübeln kommen möchte.«
    »Aber ich wäre bei dir.«
    »Schon, aber es ist besser, wenn mehr Leute da sind.«
    »Was …«
    Ich bedeutete ihr, still zu sein. Ein Mann mittleren Alters, der allein gegessen hatte, war aufgestanden und hatte

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