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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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seinen letzten Knochen aufs Tranchierbrett geworfen. Jetzt trug er sein Glas an unsern Tisch. »Gestatten, Hadelin«, sagte er, »Schiffer der Alcyone.«
    Ich nickte. »Bitte, Platz zu nehmen, Kapitän Hadelin. Was gibt’s?«
    »Habe Euch mit Kyrin reden hören. Ihr sagt, ihr wollt euch einschiffen flußab. Manch andere sind billiger und wieder andere können ein bessres Quartier bieten. Größer, meine ich, und mit mehr Ornamenten. Keins ist sauberer. Und keines ist schneller als die Alcone, von den Patrouillen abgesehen. Und wir fahren morgen früh.«
    Ich wollte wissen, wie lange er nach Nessus brauche, und Burgundofara erkundigte sich: »Und wie lange zum Meer?«
    »Wir sollten übermorgen in Nessus sein, obwohl das abhängt von Wind und Wetter. Der Wind ist normalerweise leicht und günstig um diese Jahreszeit, aber wenn ein früher Sturm losbricht, müssen wir anlegen.«
    Ich nickte. »Sicher.«
    »Ansonsten sollten wir übermorgen ankommen, zur Vesper oder etwas früher. Ich setze Euch ab, wo Ihr wollt, auf dieser Uferseite. Wir legen zwei Tage an zum Löschen und Laden und fahren dann weiter flußab. Von Nessus bis zum Delta dauert es normalerweise vierzehn Tage oder ein bißchen weniger.«
    »Wir müssen uns das Schiff ansehen, bevor wir fahren.«
    »Ihr werdet nichts finden, für das ich mich schämen müßte, Sieur. Warum ich an Euren Tisch gekommen bin: Wir fahren sehr früh, und wenn Ihr Schnelligkeit wünscht, so können wir sie bieten. Normalerweise wären wir losgefahren, ehe Ihr zum Wasser kommt. Aber wenn Ihr mich hier trefft, sobald sich die Sonne zeigt, essen wir einen Bissen und gehen gemeinsam hinunter.«
    »Übernachtest du in diesem Gasthaus, Kapitän?«
    »Jawohl, Sieur. Ich gehe an Land, wann immer ich kann. Die meisten von uns halten das so. Auch morgen nacht legen wir irgendwo an, so der Pancreator will.«
    Ein Kellner trug unser Essen auf, und der Wirt machte Hadelin mit Blicken auf sich aufmerksam. »Verzeiht, Sieur«, sagte er. »Kyrin will was von mir, und Ihr und die Dame werdet essen wollen. Wir treffen uns hier morgen früh.«
    »Wir werden da sein«, versprach ich.
    »Herrlich, der Lachs!« schwärmte Burgundofara beim Essen. »Wir haben Pökelfisch an Bord für Zeiten, wo wir nichts fangen, aber der schmeckt besser. Habe gar nicht gewußt, wie sehr ich ihn vermißt habe.«
    Ich sagte, es freue mich, daß es ihr schmecke.
    »Und nun geht’s wieder auf ein Schiff. Glaubst du, daß er ein guter Kapitän ist? Ich wette, er schindet seine Besatzung.«
    Ich warnte sie mit einer Geste. Hadelin kam zurück.
    Nachdem er seinen Stuhl herausgezogen hatte, fragte sie: »Wein gefällig, Kapitän? Sie haben mir eine ganze Flasche gebracht.«
    »Ein halbes Glas, um der Geselligkeit willen.« Er sah kurz über die Schulter zurück und blickte, den Mundwinkel fast unmerklich hochgezogen, wieder zu uns. »Kyrin hat mich eben vor Euch gewarnt. Sagt, Ihr habt ihm einen Chrysos gegeben, wie er ihn noch nie gesehen hat.«
    »Er kann ihn zurückgeben, wenn er will. Willst du eine unsrer Münzen sehen?«
    »Ich bin Seemann; wir bekommen Münzen andrer Länder zu Gesicht. Aber manchmal stammen Münzen auch aus Gräbern. Gibt wohl viele Gräber in den Bergen droben?«
    »Keine Ahnung.« Ich schob ihm über den Tisch einen Chrysos zu.
    Er begutachtete ihn, biß darauf und gab ihn mir zurück. »Gold, bestimmt. Sieht ein bißchen aus wie Ihr, irgendwie zerschnitten. Ist Euch bestimmt nicht aufgefallen.«
    »Nie«, meinte ich.
    Hadelin nickte und schob seinen Stuhl zurück. »Ein Mann rasiert sich nicht seitlich. Bis morgen, Sieur, Madame.«
    Als ich droben Mantel und Hemd an den Haken hängte und mir mit dem warmen Wasser, das die Dienstboten gebracht hatten, Gesicht und Hände wusch, sagte Burgundofara: »Er hat ihn zerbrochen, nicht wahr?«
    Ich wußte, was sie meinte, und nickte.
    »Du hättest Genugtuung fordern sollen.«
    »Ich bin kein Magus«, erwiderte ich. »Schon einmal habe ich ein magisches Duell bestritten. Es hätte mich beinahe umgebracht.«
    »Du hast dem Mädchen den Arm heil gemacht.«
    »Das war keine Zauberei. Ich …«
    Draußen wurde in eine Muschel gestoßen, woraufhin ein Gewirr von Stimmen ertönte. Ich trat ans Fenster und schaute hinaus. Da wir im oberen Stock waren, hatte ich einen guten Ausblick und konnte über die Köpfe der Menge schauen, in deren Mitte neben einer Bahre, die acht Mann auf den Schultern trugen, der Scharlatan stand. Unwillkürlich schoß mir der Gedanke

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