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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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bestickten Schal, dem wohl aufwendigsten Schmuckgegenstand der hiesigen Weiblichkeit, und für uns beide einen Korb mit einer Wegzehrung. Wir verspeisten das Eßbare unterwegs und warfen den Korb in den Fluß; die übrigen Sachen aber behielten wir, da mir der Stock zum Gehen willkommen und Burgundofara begeistert war vom Schal, der die maskuline Strenge ihrer Matrosenklamotten auflockerte. Bei Dämmerung, als eben die Tore geschlossen wurden, erreichten wir das Städtchen Os.
    Hier mündete der Fluß, dem wir gefolgt waren, in den Gyoll. Schebecken, Karacken und Feluken waren an der Ufermauer festgemacht. Wir fragten nach den Kapitänen, aber alle waren sie an Land, um Geschäften oder Vergnügungen nachzugehen, und die mürrischen Wachen, die zum Schutz der Schiffe zurückgeblieben waren, versicherten uns, daß wir am Morgen wiederkommen müßten. Einer empfahl uns das Chowder Pot; wir waren auf dem Weg dorthin, als wir zufällig einem Mann begegneten, der einen purpurgrünen Umhang trug, auf einem umgedrehten Zuber stand und einer rund hundertköpfigen Zuhörerschaft predigte:
    »… vergrabener Schatz! Alles Verborgene enthüllt! Sind drei Vögel in einem Busch, so mag der erste nichts vom dritten wissen, ich aber kenne ihn. Es liegt – während ich dies sage – ein Ring unter dem Kissen unsres Herrschers, des Weisen, Erhabenen … Danke, gute Frau. Was willst du wissen? Ich weiß es, weiß es bestimmt, aber gestatte, daß ich’s den Herrschaften sage. Dann will ich’s enthüllen.«
    Eine dicke Frauensperson hatte ihm ein paar Aes gereicht. Burgundofara meinte: »Komm, ich möchte mich setzen und was essen!«
    »Warte!« entgegnete ich.
    Ich blieb, weil die Sprüche des Scharlatans mich an Dr. Talos erinnerten, vor allem aber weil seine Augen an Abundantius gemahnten. Freilich gab es einen noch gewichtigeren Grund, gleichwohl ich, fürchte ich, eine genaue Erklärung schuldig bleiben muß. Irgendwie aber spürte ich, daß dieser Fremdling die gleiche Reise wie ich hinter sich gebracht hatte und zurückgekehrt war, wie es nicht einmal für Burgundofara zutraf, und daß wir, obschon wir weder den gleichen Ort bereist hatten noch mit dem gleichen Gewinn heimgekehrt waren, alle beide wunderliche Pfade beschritten hatten.
    Die Dicke murmelte etwas; der Scharlatan verkündete: »Sie möchte gern wissen, ob ihr Gemahl eine neue Örtlichkeit für sein Etablissement findet und ob das Unternehmen floriert.«
    Er warf die Arme über den Kopf und faßte mit beiden Händen eine lange Rute. Die aufgerissenen Augen verdrehte er nach oben, bis nur mehr das Weiß zu sehen war wie die Haut zweier hartgekochter Eier. Ich lächelte, rechnete ich doch mit einem Lacher beim Publikum; indes hatte sein blindes Bittstellergebaren irgend etwas Schreckliches an sich, denn keiner lachte. Wir hörten den Fluß plätschern und den Abendwind rauschen, obwohl es ein sanftes Lüftchen war, das nicht einmal mein Haar zu verwehen vermochte.
    Mit einemmal ließ er die Arme fallen und drehte die dunklen Augen zurück. »Die Antwort ist ein zweifaches Ja! Das neue Badehaus wird keine halbe Meile von hier entstehen.«
    »Kinderleicht«, flüsterte Burgundofara. »Die ganze Stadt hat nicht mehr als eine Meile Durchmesser.«
    »Und es wird mehr abwerfen, als das alte je abgeworfen hat«, versprach der Scharlatan. »Aber nun, teure Freunde, laßt euch vor der nächsten Frage noch etwas gesagt sein. Ihr glaubt, ich prophezeie wegen des Geldes, das diese Frau mir gegeben hat.« Er hatte die Aes in der Hand behalten. Jetzt warf er sie als kleine dunkle Säule in den dämmernden Himmel. »Nun, ihr irrt, meine Freunde! Hier!«
    Er schleuderte sie in die Menge, und es waren wohl beträchtlich mehr, als er von der Frau erhalten hatte. Alles streckte und bückte sich danach. Ich sagte: »Also gut, gehen wir.«
    Burgundofara schüttelte den Kopf. »Das will ich hören.«
    »Wir leben in schlechten Zeiten, Freunde! Euch dürstet nach Zeichen. Nach wunderbaren Heilungen und Äpfeln von der Kiefer! Nun, erst heute nachmittag habe ich erfahren, daß ein Quacksalber die Dörfer droben am Fluminis abklappert und zu uns unterwegs ist.« Sein Blick fiel auf mich. »Ich weiß, daß er jetzt unter uns weilt. Trete er vor, wenn er sich traue. Wir wollen uns messen, Freunde, in einem magischen Wettbewerb! Komm, Freund, komm zu Ceryx!«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Du, mein Guter.« Er richtete den Finger auf mich. »Weißt du,

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