Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
Luke ein Streifen Tageslicht herein. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Zu warten, bis man sie holen ließ und mit Peitschenschlägen vom Hof jagte.
     
    Sie musste eine Weile geschlafen haben. Als das Knarren der Kellertür sie auffahren ließ, war das Licht draußen völliger Dunkelheit gewichen.
    «Steh auf, die Herren sind da.» Das war einer der Knechte von vorhin. Eine Lampe flammte auf und tauchte die Kellerwände in unruhigen Schein. Hinter dem Licht bewegten sich die Umrisse zweier Männer auf sie zu.
    «Schließ das Gitter auf», vernahm Eva eine junge Stimme. Eine Stimme, die zu einer schlanken, hochgewachsenen Gestalt gehörte und Eva den Atem nahm. Vor Schreck, vor Erstaunen und auch vor Glück. Als sich dann das schmale Gesicht in den Lichtkreis der Lampe schob, gab es keinen Zweifel mehr: Vor ihr stand kein anderer als Moritz von Ährenfels!

25
    Als Eva wieder halbwegs einen klaren Gedanken fassen konnte, öffnete sich abermals das Gitter, und ein zweiter Edelmann betrat das Verlies. Er war einiges älter als Junker Moritz, die Ähnlichkeit war aber unverkennbar.
    «Das also ist der Störenfried, mit dem drei Zigeuner nicht fertiggeworden sind.» Der Ältere begann schallend zu lachen. «Einen rechten Herkules hab ich mir vorgestellt, und jetzt find ich dieses Häufchen Elend. Was meinst du, Bruderherz – hat da unser Rotbart nicht wieder mächtig übertrieben?»
    Moritz von Ährenfels, der Eva bislang schweigend angestarrt hatte, entgegnete: «Vor allem hat er den Jungen übel zugerichtet. Eine Schweinerei ist das. Wie heißt du?»
    Sein prüfender Blick ließ sie nicht los. Es war, als suche er etwas in ihrem Gesicht. Oder in seiner Erinnerung, dachte Eva. Sie durfte sich keinesfalls verraten, sonst war alles aus.
    «Adam Portner, Ihr gnädigen Herren, und ich bin weder Bettler noch Landstreicher, sondern ein Schneiderknecht.» Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte.
    «Ein Schneiderknecht, so, so», sagte der Ältere. «Dann bin ich der Herzog von Baiern.»
    Eva sah zu Boden – weniger aus Demut, als um zu vermeiden, dass der Schein der Lampe ihr Gesicht traf.
    «Wenn Ihr erlaubt, möchte ich das erklären», murmelte sie.
    «Nur zu, aber fass dich kurz.» Der Bruder des Junkers verschränkte die Arme. «Unser Nachtessen wartet.»
    «Ich verdien mein Brot auf der Stör, mit Schneiderarbeiten. Hier bei Euch wollte ich meine Arbeit anbieten, um wieder auf die Beine zu kommen. Ein Landsknecht nämlich hatte mich niedergeschlagen und ausgeraubt. Es waren also nicht Eure Leute, das mit meinem Gesicht, meine ich.»
    «Und das sollen wir glauben?»
    «Warum nicht, Kilian?», mischte sich Junker Moritz ein. Sein Blick war jetzt voller Sorge. «Statt den Jungen hier im Verlies schmoren zu lassen, hätte man ihn lieber verarzten sollen. Du hast sicher Hunger und Durst, oder?»
    Eva nickte.
    «O mein kleiner Bruder! Spielt wie immer den barmherzigen Samariter.» Kilian schüttelte den Kopf. «Vielleicht noch ein Federbett auf die Nacht? Und zuvor zur Stärkung ein Krüglein Tokaier und ein Scheibchen Entenbrust an Honigpastinaken?»
    «Warum nicht?» Moritz blieb ungerührt. «Wenn er doch unschuldig ist?»
    «Du hast wirklich einen Sparren zu viel. Der Kerl bleibt hier, bis Vater zurück ist. Gehen wir.»
    «Nein!» Moritz stellte sich seinem Bruder in den Weg. «Wenn er Schneider ist, wird er das auch beweisen können. Wo hast du dein Werkzeug?»
    Diese Frage traf Eva bis ins Mark. In dem ganzen Tumult hatte sie überhaupt nicht mehr auf ihre Sachen geachtet. Wo war ihr Reisebeutel? Ihr Messer? Ihre Hand tastete unter das Wams: Das Messer war weg!
    «Verzeiht, Herr», wandte der Knecht ein, «aber er hatte tatsächlich einen Sack bei sich. Der Rotbart hat alles in Verwahrung genommen.»
    Eva fiel ein Stein vom Herzen. «Und – und mein Messer?»
    «Da war kein Messer.»
    «Nun gut, wir werden ja sehen, was in dem Beutel war.» Kilian stieß seinen jüngeren Bruder in die Seite. «Besprechen wir alles Weitere beim Essen. Der Knecht kann unserem Schneiderlein ja einstweilen etwas Brot und Wasser kredenzen.»
    Fast erleichtert hörte Eva, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, dann ließen die Männer sie allein in der Dunkelheit zurück. Jetzt erst wagte sie wieder den Kopf zu heben. Dem Himmel sei Dank, Junker Moritz hatte sie nicht wiedererkannt. Und wenn das Messer verschwunden blieb – umso besser. Wie hätte sie schließlich erklären sollen, woher sie es hatte?
    Eva

Weitere Kostenlose Bücher