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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Barreiterin den Rücken zugewandt, überstreifte.
    Die lächelte belustigt. «So gschamig hätt ich dich gar nichteingeschätzt. Eher als Weiberheld, so wie du immer im Schlaf daherredest.»
    «Ich red im Schlaf?», fragte Eva erschrocken.
    «O ja, ganz wirres Zeug, und etliche Frauen kommen da vor. Zumeist Josefina und Eva. Sag bloß – hast du gleich zwei Schatzerl?»
    «Josefina ist meine Schwester. Und Eva   – Eva auch.»
    Eva krümmte sich unter ihrer Decke zusammen. Jetzt fror sie tatsächlich, und der Kopf schmerzte auch.
    «Warum bin ich eigentlich nicht unten in der Krankenstube?», fragte sie erschöpft.
    «Weil dein Bett besetzt ist. Eine Kindbetterin ist reingekommen, grad als du zusammengebrochen bist. Wenn Gott seine schützende Hand über sie hält, wird sie heut Nacht noch entbinden.»
    «Dann kann ich morgen also wieder runter?»
    «Schmarrn. Nur lose Weiber oder fremde Bettlerinnen werden gleich nach der Niederkunft weitergeschickt. Die hier bleibt, bis sie wieder bei Kräften ist.»
    Josefina, dachte Eva sofort, und ihr Herz krampfte sich zusammen. «Nehmt Ihr also jede Frau auf, die guter Hoffnung ist?»
    «Nur wenn sie kurz vor der Niederkunft steht. Dann gilt das Gebot der Barmherzigkeit. Für mich zumindest. Der Spitalmeister war da schon manches Mal andrer Meinung. Aber warum fragst?»
    «Weil   …» Eva kämpfte mit sich. «Weil meine Schwester schwanger war. Man hatte sie aus der Stadt verwiesen, und seither ist sie verschwunden. Zwei Jahre ist das schon her, und ich weiß nicht mal, ob Josefina noch lebt.»
    «In Unehren empfangen, ich versteh.» Die Barreiterin nickte, voller Mitgefühl, wie es schien. «Das ist ein hartes Los. Immerwieder klopfen solch arme Seelen bei uns an.» Dann stutzte sie. «Vor zwei Jahren? Josefina? In Passau der Stadt verwiesen?»
    In Evas Kopf begann sich alles zu drehen, als sie jetzt aus dem Mund der Spitalmutter das schier Unglaubliche erfuhr. Dass ihre Schwester vor ziemlich genau zwei Jahren in höchster Not hier um Hilfe gefleht habe und tatsächlich um Gottes willen aufgenommen worden sei. Nach einer schweren und langwierigen Geburt sei schließlich ein strammer, gesunder Junge zur Welt gekommen und vom Spitalkaplan auf den Namen Nikolaus getauft worden, da es der Gedenktag des Heiligen von Myra war. Nachdem die Hebamme erfahren hatte, dass der heimliche Kindsvater ein Herrensöhnchen aus Passau sei, und dies der Obrigkeit pflichtgemäß meldete, habe man Mutter und Kind anderntags schon vor die Stadt gebracht, auf dass sie dem hiesigen Armenkasten nicht zur Last falle.
    «Ich erinnere mich genau, denn an diesem Tag Anfang Dezember war ganz plötzlich der Winter eingebrochen. Glaub mir, es tat mir in der Seele weh, die beiden gehen zu lassen. Einen kräftigen Mundvorrat und ein zweites wollenes Tuch für den Kleinen gab ich ihr noch mit, mehr konnte ich nicht tun. Aber, Adam – jetzt beruhig dich doch! Mein Junge!»
    Hilflos sah sie auf Eva, die in Schluchzen ausgebrochen war.
    Nach so langer Zeit endlich wusste sie um Josefinas Schicksal, nur wirklich begreifen konnte sie es nicht. Immer wieder von neuem begann sie zu weinen, ihre Brust schmerzte schon, Augen und Hals brannten. Längst war es stockfinster geworden in der Kammer. Irgendwann spürte sie, dass sich die Barreiterin neben sie gelegt hatte, den Arm um ihre Schultern, die warme Hand auf ihrer tränennassen Wange. In dieser tröstlichen Umarmung weinte sich Eva schließlich in den Schlaf.
     
    Auch am nächsten Tag konnte es Eva kaum fassen, dass Josefina hier, an diesem Ort, ihr Kind zur Welt gebracht hatte. Sie löcherte die Spitalmutter mit Fragen zu ihrer Schwester und dem Neugeborenen, der den Namen des geliebten Bruders trug, wollte jede kleine Einzelheit wissen über die zwei Tage, die Josefina im Spital verbracht hatte. Doch je mehr sie erfuhr, desto heftiger sorgte sie sich letztlich um die beiden.
    «So wirst nie gsund», schalt die Barreiterin irgendwann. «Du isst zu wenig, du schläfst zu wenig, du bist nur noch Haut und Knochen! Das hilft doch deiner Schwester keinen Deut weiter. Vielleicht hat sie ja meinen Rat befolgt und ist zu den frommen Schwestern der Beginen gezogen, in die freie Reichsstadt Ulm.»
    «So eine weite Reise, und das mit einem Neugeborenen! Ihr habt doch selbst gesagt, sie war ganz schwach nach der Geburt.»
    «Körperlich ja. Aber das Madl hat einen starken Willen, das hab ich damals gleich gemerkt. Und großes Gottvertrauen.»
    Mit Evas Genesung ging es

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