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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Paracelsus.»
    «Paracelsus?» Da war er wieder, dieser Name, den sie aus Kathrins Mund schon so oft gehört hatte.
    Sie hatte eifrig genickt. «Von ihm gibt’s eine Schrift, die da heißt:
Über die Krankheiten, die die Vernunft rauben
. Drei Rezepturen gegen Veitstanz sind drin enthalten. Was ich bei dir angewendet hab, ist ein Mittel mit Alraune und Baldrian. Aber vielleicht hat dir ja auch dein Talisman geholfen», setzte sie verschmitzt hinzu.
    Anschließend hatte sie Eva einen schwärmerischen Vortrag gehalten über diesen Theophrastus Bombastus von Hohenheim, wie der Feld- und Wundarzt in Wirklichkeit hieß. Zu Lebzeiten sei er von aller Welt geschmäht und angefeindet worden, nur weil er dort gelernt und gewirkt hatte, wo die Kränksten der Kranken sich einfanden: in den Feldlazaretten und Spitälern. Noch als «Doctor beider Arzneyen», den er sich auf der Fakultät zu Ferrara erworben hatte, sei er sich nicht zu schade gewesen, den Badern und sogar den Henkern über die Schulter zu schauen. Auch hier im Regensburger Spital habe er einige Zeit gewirkt. Und jedes neue Heilmittel habe er zuerst an sich selbst versucht.
    «Paracelsus sagt: ‹Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist!› Es heißt» – sie senkte die Stimme   –, «er habe sich auch der Schwarzkunst verschrieben und ein Elixier gegen alle Krankheiten besessen, das Elixier Theophrasti.»
    Solcherart Gespräche hatten sie viele geführt, während der Arbeit, auf dem Weg zum Gottesdienst in der Spitalkirche, abends, bevor sie zu Bett gingen, oder auch während Kathrins seltenen freien Stunden. Zumeist machten sie dann bei Wind und Wetter einen Spaziergang kreuz und quer über das weitläufigeGelände, wobei sie Pfaffenstock und das vornehme Haus des Spitalmeisters in wohlweislich großem Abstand umgingen. Meist schlenderten sie an Pfründnerhaus und Pilgerhaus vorbei über den hübschen Kirchplatz bis zum Wirtschaftshof mit seinen Stallungen und Vorratsspeichern, von dort die Runde weiter am windschiefen Häuschen des Spitalschreibers entlang und über den Hof des Brauhauses hinunter zum Spitalanger, wo sich auch Bad- und Waschhaus befanden.
    Vom nördlichen Donauufer aus hatte man einen herrlichen Blick auf die Türme und Mauern der freien Reichsstadt und ihre im ganzen Reich berühmte Steinbrücke, und hier durchfuhr Eva jedes Mal eine zutiefst widersprüchliche Regung: Zum einen fühlte sie eine unbestimmte Angst vor der Unberechenbarkeit der Welt da draußen, einer Welt, die ihr oft genug ihre grausamsten Fratzen gezeigt hatte, zum anderen packte sie heftiges Fernweh.
    Das alles ging Eva durch den Kopf, als sie an diesem letzten Abend vergeblich einzuschlafen versuchte. Es würde ihr schwerfallen, die kleine, schutzhafte Welt des Regensburger Spitals zu verlassen. Und trotzdem hatte sie die Weisung des Baders, sich anderswo ein Unterkommen zu suchen, nahezu erleichtert hingenommen. Inzwischen stand für sie nämlich außer Zweifel, dass Kathrin Barreiterin ihr Herz an Adam Auer, den jungen Schneiderburschen, verloren hatte, und es war allerhöchste Zeit zu gehen.

37
    Eva trat durch die Schöne Pforte, die vom Spital her unmittelbar auf das nördliche Ende der Donaubrücke führte, und hörte hinter sich die schwere Holztür ins Schloss fallen. Einen letztenBlick warf sie noch auf das reichverzierte Doppelportal, dann wischte sie sich verstohlen über die Augen und machte sich auf den Weg.
    Zum ersten Mal verließ Eva das schützende Geviert des Spitals, zum ersten Mal betrat sie diese endlos lange, jahrhundertealte Steinbrücke, die Regensburg im Süden mit Stadt am Hof im Norden verband, oder besser: voneinander trennte. Der nördliche Brückenkopf nämlich ragte einer Trutzburg gleich mitten hinein in das kleine Marktstädtchen. Zu einem wehrhaften Kastell war er ausgebaut, mit Schießscharten in der Festungsmauer und umlaufendem Graben, mit zwei kleineren vorspringenden Rundtürmen und einem hohen Wach- und Torturm. Diese starke Bewehrung schien den Regensburgern deshalb notwendig, weil hier die Grenze zum nicht eben freundschaftlich gesinnten Herzogtum Baiern verlief. Man könnte sagen, die Regensburger und die Leute aus Stadt am Hof waren sich in herzlicher Feindschaft zugetan.
    So hatte es denn auch mit dem Regensburger Spital eine äußerst seltsame Bewandtnis: Es lag nicht innerhalb der Mauern der freien Reichsstadt Regensburg, sondern auf der anderen, der nördlichen

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