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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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bairischen Nordwald. Oder, aus Evas und Niklas’ Sicht, zum Donaustrom hin.
    Die Juden hatten sich als angenehme Weggenossen erwiesen. Am Ende hatte sich der völlig erschöpfte Niklas sogar auf eines ihrer Maultiere setzen dürfen.
    «Wenn ihr uns begleitet», sagte der Älteste, als sich Eva vor dem Stadttor gerade von ihnen verabschieden wollte, «müsst ihr keinen Obolus berappen. Wir kennen die Wächter vom Kramtor gut.»
    Eva überlegte. Eigentlich hatte sie um Deggendorf einen Bogen machen wollen, um unangenehme Fragen der Torwächter nach Herkunft und Begehr zu vermeiden. Zu nahe lag die Stadt an Passau. Aber Niklas war am Ende seiner Kräfte, und auch sie selbst sehnte sich nach dem weiten Weg und der durchwachten Nacht nach Erholung. Sie gab sich einen Ruck. Die schrecklicheGeschichte mit ihrem Stiefvater lag nun über ein halbes Jahr zurück – wer würde jetzt noch nach ihr suchen?
    «Gern, Gevatter, habt vielen Dank. Wisst Ihr vielleicht auch, wo wir nächtigen können?»
    «Im Katharinenspital nehmen sie Wanderer und Pilger auf. Aber nur für eine Nacht.»
    Eva nickte. «Morgen wollen wir eh weiter.»
    Im Schlepptau der Trödler passierten sie das Tor der alten Markt- und Handelsstadt und gelangten zum Rathaus. Es war zauberhaft bemalt und an einen Stadtturm von schwindelerregender Höhe gebaut. Niklas legte den Kopf in den Nacken und blinzelte.
    «Wie gern wär ich Türmer! Da würd ich hoch über allen andern wohnen und könnt jedem auf den Kopf spucken.»
    «Kindskopf.» Eva stieß ihn in die Seite, dann verabschiedete sie sich von den Trödlern. Der Ältere wies nach links:
    «Das Spital ist nicht zu verfehlen. Immer gradaus die Marktstraße runter, vorbei an Peter und Paul, bis zum Pferdemarkt. Da seht ihr dann schon das Spitaltor. Behüt euch Gott, unser Herr.»
    «Behüt Euch Gott!»
    Eva hatte weder Blicke für die prächtigen Fassaden der Bürgerhäuser, die hier die breite Straße säumten, noch für die ehrwürdige alte Grabkirche Peter und Paul. Nach nichts anderem als einem Teller Suppe und einem Lager, wo sie alle viere von sich strecken konnte, stand ihr jetzt der Sinn. Energisch klopfte sie gegen die Pforte des Spitals, wieder und wieder, bis sich eine hölzerne Luke öffnete. In dem kleinen Viereck zeigte sich ein Augenpaar unter zottigen Brauen, das sie müde anblickte.
    «Was wollt ihr?», fragte eine Männerstimme. Sie war tief und klang ziemlich unfreundlich. Eva ließ sich nicht beirren.
    «Mein kleiner Bruder und ich suchen Unterkunft für eine Nacht.»
    «Habt ihr Wäsche oder Hausrat dabei?»
    «Nein.»
    «Leidet ihr an Leibesblödigkeit? An Aussatz, Antoniusfeuer, Pestilenz?» Sie schüttelten beide den Kopf. «Und du, Weib – stehst du vor einer baldigen Niederkunft?»
    Eva zuckte bei diesen letzten Worten zusammen, doch dann wurde es ihr zu bunt.
    «Macht doch einfach die Augen auf: Sieht so eine Hochschwangere aus?», entgegnete sie frech. «Warum lasst Ihr uns nicht einfach ein?»
    «Weil da jeder kommen könnte. Ortsfremde Bettler zum Beispiel, die unseren eigenen Hausarmen die Almosen wegschnappen.»
    «Guter Mann, wir sind keine Bettler. Wir sind auf dem Weg zu unsrer Muhme in Straubing, nichts weiter.»
    «Gut, gut.» Die Luke schloss sich, die Pforte sprang auf. Der Spitalknecht stand nun in seiner ganzen Leibesfülle vor ihnen. Ein runder, speckwangiger Kopf klemmte ohne Hals zwischen den mächtigen Schultern, das lange, dunkle Haar hing in Strähnen über den Rücken. Jetzt streckte er die geöffnete Hand aus und grinste.
    «Macht einen Pfennig für jeden.»
    «Ich dachte, Arme und Bettler werden im Spital um Gottes Lohn aufgenommen?»
    «Du sagst, ihr seid keine Bettler. Also könnt ihr auch bezahlen, bitt schön! Und falls du noch länger herumfeilschen willst wie ein Fischweib, dann schlag ich die Tür einfach wieder zu.»
    Was für ein Dummkopf sie war! Widerstrebend legte ihm Eva die zwei Münzen in die Hand. Der Spitalknecht nickte zufrieden: «So folgt mir denn unter das schützende Dach meinerHerberge, wo ihr nächtigen dürft und gespeist werdet mit Suppe und Brot.»
    Mit schweren, schlurfenden Schritten führte er sie durch ein Labyrinth dunkler Gänge, Höfe und Stiegenhäuser, vorbei an mehreren Krankenstuben, aus denen Gestöhn und Geschrei drang, dass es einem angst werden konnte, an Küchen und Vorratskammern, Hühnerställen, Wasch- und Badstuben und sogar an einer Sargtischlerei. Eva fiel auf, dass alle Türen offen standen.
    Unterwegs fragte sie

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