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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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dieser Mistkarre.»
    Er half ihnen vom Wagen und führte sie nach vorn zur Deichsel. Dort bot sich ihnen ein seltsames Bild: An einem Schlagbaum lehnten Vinzenz und Eusebia Fettmilch, die Hände an das Holz gebunden, er mit wutverzerrtem Gesicht, sie mit zitternden Mundwinkeln und rotgeheulten Augen. Rechts und links von ihnen hatten sich zwei mit Spießen bewehrte Männer aufgepflanzt, dahinter, in gebührendem Abstand, glotzten sich Gaffer jeglichen Alters die Augen aus dem Kopf.
    Eva holte tief Luft. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass dieser Albtraum ein Ende hatte. Schwindel und ein Gefühl der Schwäche erfassten sie. Dazu war ihr fast schlecht vor Hunger.
    «Was geschieht nun?», hörte sie jemanden fragen und wandte sich zur Seite. Aus dem Schatten eines Baumes löste sich eine schlanke, hochgewachsene Gestalt und kam in schlaksigem Gang auf sie zu. Wie bei einem hochbeinigen jungen Pferd, dachte Eva, und dann: wie bei Adam. Sie sah das schmale, glatte, noch sehr junge Gesicht, die dunkelbraunen, welligen Haare,die bis zur Schulter reichten, das Bärtchen über den vollen Lippen und flüsterte: «Adam!»
    Dann warf sie sich mit einem unterdrückten Schluchzen in seine Arme.
    «Ist ja gut», hörte sie eine tröstende Stimme. «Es ist vorbei.» Eva hob den Kopf und blickte in ein lächelndes Gesicht, auf dessen linker Wange sich eine dunkle Narbe abzeichnete. Die Augen waren, ganz anders als bei ihrem älteren Bruder, von einem selten klaren Grün.
    «O Gott, verzeiht mir», stammelte sie. «Ich dachte, Ihr wärt Adam, mein älterer Bruder Adam.»
    «Nein, ich bin leider nur Moritz.» Er lachte. «Moritz von Ährenfels.»
    Sie wollte sich aus seinen Armen lösen, da gaben ihre Beine unter ihr nach, und sie sank schlaff auf die staubige Straße. Der Fremde beugte sich hinunter, hob sie auf und trug sie an den Wegesrand, wo er sie vorsichtig ins Gras legte. Dann hockte er sich neben sie.
    «Gütiger Herrgott, du bist ja völlig entkräftet. Du hast sicher Hunger und Durst.»
    Er band seine Wasserflasche vom Gürtel und hielt sie an ihre Lippen. Der Wein, den sie schmeckte, war süß und stark.
    «Es geht schon wieder, edler Herr. Habt vielen Dank», sagte sie und richtete sich auf. Wie hatte sie nur so kreuzblöd sein können – diesen Junker in seinem dunkelblauen Samtumhang und dem kunstvoll bestickten Wams für Adam zu halten! Sich diesem Fremden mir nichts, dir nichts in die Arme zu werfen! Am liebsten wäre sie vor Scham im Erdboden versunken.
    Sie gab sich einen Ruck. «Wo sind wir hier, Herr?»
    «In der Jungen Pfalz, nicht weit von Neumarkt.»
    Eva sagte weder das eine noch das andere was. Sie wollte nur noch fort von hier, fort von diesem schäbigen Leiterwagen,in dem sie so endlos lange Stunden gefangen waren, fort von all diesen Leuten, die längst neugierig zu ihr herüberstarrten. Verlegen ließ sie sich von dem jungen Edelmann auf die Beine helfen. Für einen kurzen Augenblick nahm sie den Geruch von frisch gemähtem Gras und Pferden wahr, der von ihm ausging, dazu ganz zart der Duft nach Zimt und Honig.
    «Ihr wart unsere Rettung», sagte sie mit rauer Stimme. «Ich weiß wirklich nicht, wie ich Euch danken soll.»
    Der Junker schüttelte den Kopf. «Das war nur unsre Pflicht. Solchem Kupplerpack muss das Handwerk gelegt werden.»
    Sie trat einen Schritt zurück. Dabei trafen sich ihre Blicke. Die leuchtend grünen Augen betrachteten sie durchdringend. Eva senkte den Blick und strich sich durch die Locken. Meine Güte, wie dreckig und zerlumpt musste sie auf diesen jungen Vornehmen wirken!
    Der Zöllner trat auf sie zu.
    «Verzeiht die Störung, Junker Moritz. Es ist beschlossne Sach, diese Erzlumpen nach Neumarkt zu bringen. Und der Wagen ist beschlagnahmt.»
    «Recht so. Ist Diebesgut darauf?»
    «Ja. Das meiste aber wertloses Glump.»
    «Uns hat er auch bestohlen», wagte Eva einzuwerfen. Dabei hielt sie den Blick weiterhin gesenkt. Allerdings nicht aus einem Gefühl der Ergebenheit heraus, sondern weil dieser Moritz von Ährenfels, der nur wenige Jahre älter war als sie selbst, sie verwirrte. Und das lag nicht nur an der verblüffenden Ähnlichkeit mit ihrem Bruder Adam.
    «Dann komm.» Moritz von Ährenfels legte seine Hand auf ihre Schulter – warm und leicht spürte Eva sie durch den Stoff ihres Kleides – und führte sie zurück zum Wagen. Dort hockte Niklas auf der Deichsel und kaute mit vollen Backen. Auf seine Wangen war Farbe zurückgekehrt, und seine hellen Augenstrahlten,

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