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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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trotteten sie zur Straße zurück. Niklas kämpfte deutlich sichtbar gegen die Tränen an.
    «So wird das nichts.» Eva schüttelte wütend den Kopf. «Das nächste Mal singe ich allein, und du wirst dazu tanzen.»
    «Ich will aber nicht den Affen machen!»
    «O doch, das wirst du. Wie kann man nur so grässlich falsch singen!»

14
    Die nächsten Tage kamen sie nur langsam voran. Erst zwang sie ein Gewitter, in einem Buchenhain Schutz zu suchen, dann vertrat sich Niklas den Knöchel, und sie verbrachten einen halben Tag am Ufer eines Baches, wo er seinen Fuß kühlte.
    Immerhin verliefen ihre kleinen Auftritte nicht mehr ganz so erfolglos. Niklas wirkte zwar eher wie ein Veitstänzer, wenn er so ungelenk von einem Bein aufs andere hüpfte und dabei in die Hände klatschte, aber Evas klare, kräftige Stimme schlug die Zuhörer in ihren Bann. Manchmal gingen sie leer aus oderwurden schon von vornherein weggejagt, nicht selten aber hielten sie nach ihren Darbietungen zum Lohn ein Stück Brot oder gedörrtes Obst in den Händen.
    Inzwischen war es fast sommerlich warm geworden, und in den Nächten, die sie in Heustadeln oder in Unterständen für das Vieh verbrachten, wurden sie nicht mehr von klirrender Kälte im Morgengrauen geweckt. Eva hätte guter Dinge sein mögen, wäre da nicht plötzlich das Gefühl gewesen, in die Irre zu gehen. Ein Wanderkrämer hatte ihnen gleich zu Anfang erklärt, wenn sie nach Straubing wollten, müssten sie sich zunächst in Richtung Regensburg halten, von dort sei es dann ein Leichtes, stromabwärts der Donau zu folgen.
    Vor zwei Tagen nun waren sie an eine Gabelung gelangt, und in ihrer Unsicherheit hatte Eva zwei fahrende Schüler nach dem Weg gefragt. Die Scholaren hatten sie mit frechen Blicken gemustert und sie, ohne eine klare Antwort zu geben, auf einen Umtrunk am Wegesrand eingeladen. Der eine hatte sie sogar «schöne Frau» genannt und ihr mit allerlei Komplimenten geschmeichelt. Selbstredend hatte Eva ihr Angebot abgelehnt, hatte sich schließlich sogar mit harschen Worten und geballten Fäusten gegen ihre zweideutigen Scherzworte wehren müssen. «Zickige Jungfer», hatte der eine gemault und ihr endlich mit verächtlichem Gesicht denWeg gewiesen – zu Evas Erleichterung die entgegengesetzte Richtung von deren eigenem Reiseweg.
    Steil und steinig war es bergauf gegangen, bis die Gegend immer unwirtlicher und einsamer wurde. Wiesen und Viehweiden wichen dunklen Wäldern, die von steinigen Schluchten und Wildbächen durchschnitten wurden und in die kein Sonnenstrahl einzudringen vermochte. Hier verkehrten keine Kaufleute mehr, nicht einmal mehr Wanderkrämer oder Höker mit ihren Buckelkraxen. Überhaupt schien es irgendwann, als seien sie ganz allein auf der Welt. Eva wäre wohl vor Angst vergangen,hätte sie nicht das Messer unter der Schürze gehabt. Immer wieder umfasste sie den Hirschhorngriff, der glatt und warm in ihrer Hand lag. Mehr als einmal sah sie dabei deutlich das junge, lächelnde Gesicht des Junkers vor sich; ihr war, als würde er sie in diesem Augenblick beschützen. Hieß er nicht Moritz?
    «Da stimmt was nicht», sagte sie, als vor ihnen der Weg wieder einmal im Dunkel eines dichten Waldstücks zu verschwinden drohte. «Das kann unmöglich die Straße nach Regensburg sein.»
    Niklas ließ sich ins Gras der Wegböschung sinken. «Ich geh nicht mehr weiter. Außerdem hab ich Hunger.»
    Sie schüttelte den Kopf. Ihre kärglichen Vorräte waren längst aufgebraucht.
    «Wir haben nur noch Wasser. Hör zu, Igelchen: Wir kehren um. Ein oder zwei Wegstunden vorher hab ich im Tal einen Weiler gesehen. Dort fragen wir nach dem Weg. Und zu essen gibt’s da sicher auch was für uns. Los jetzt, steh auf.»
    Doch Niklas blieb sitzen. Böse kniff er die Augen zusammen. «Ich will nicht mehr tanzen. Nie wieder.»
    So störrisch kannte Eva ihren kleinen Bruder gar nicht.
    «Und wie willst du durchhalten, bitt schön? Meinst du, das Brot wächst auf den Bäumen?»
    «Wir können ja Holz sammeln und verkaufen. Das liegt hier doch eh überall rum.»
    Eva sah ihn erstaunt an. Dass sie da nicht selbst draufgekommen war!
    «Gut, versuchen wir’s. Und jetzt komm, es wird bald dunkel.»
    Sie hatten Glück. In dem Flecken, den Eva von weitem gesehen hatte, trafen sie auf eine freundliche Bauersfrau, die offenbar ganz allein mit einer Schar Kinder auf ihrem kleinen Hof lebte. Sie nahm ihnen die gesamte Ausbeute an Kleinholz ab.
    «Da hat euch einer recht verscheißert», sagte

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