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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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einsamere Wege, liefen sie Gefahr, überfallen zu werden. Und ihre Geldkatze enthielt mittlerweile keinen Heller mehr.
    Am Nachmittag dann erreichten sie den Markt Calmunz, wo das Vilstal sich mit dem Tal der Naab vereinigte. Inzwischen klagte Niklas auch noch über Schwindelgefühle. Eva führte ihn in den Schatten eines Ahornbaums, der nahe einer kleinen Kapelle stand, und setzte sich mit ihm ins Gras.
    «Mach die Augen zu und ruh dich aus.» Sie legte ihm den Arm um die Schultern und zog ihn an sich. Vor ihnen, im Mündungswinkel der beiden Flüsse, lag einer der schönsten Orte, die sie auf ihren Wanderungen zu sehen bekommen hatten:
    An das fast weiße Gestein schroffer Felswände, die aus großer Höhe zum Fluss hin steil abfielen, schmiegte sich eine Handvoll Häuser, verbunden über Treppchen und steinerne Terrassen, und spiegelte ihre buntgestrichenen Fassaden im Wasser wie eitle Frauenzimmer. Eine einzige Brücke führte von hier aus hinüber, aus grauem Stein und mit einem Tor versehen, und hoch über den Häusern, dort, wo der helle Fels von kräftigem Grün überwuchert war, thronte eine eindrucksvolle Burganlage.
    Fieberhaft überlegte Eva, wie sie ihrem Bruder in diesem Calmunz eine kräftige Mahlzeit verschaffen konnte. Sie könnte die Bootsleute anbetteln, die nicht weit von ihnen eben ihren Kahn vertäuten. Aber mehr als ein Stück Brot oder Speck würde dabei sicher nicht herausspringen.
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Sie stieß Niklas in die Seite.
    «Steh auf! Wenn wir Glück haben, können wir uns gleich richtig satt essen.»
    Ungläubig sah er sie an. «Wennst meinst», murmelte er nur und erhob sich mühsam.
    Sie nahm ihn bei der Hand und schleifte ihn hinter sich her zu der kleinen Kapelle. Wie Eva es sich erhofft hatte, war die Tür unverschlossen. Sie schob den Riegel zurück und trat in das dunkle Innere, das höchstens zwölf Schuh in der Länge und neun Schuh in der Breite maß. Die Wände waren mit Fresken von Heiligen geschmückt, deren größte die Mutter Gottes mit dem Jesuskind im Schoß zeigte. Das Licht, das durch die geöffnete Tür hereinfiel, schien geradewegs auf das Gesicht der heiligen Maria, ihre mandelförmigen Augen unter den zart geschwungenen Brauen schienen Eva mit ihrem Blick zu durchbohren. Eine Mischung aus Vorwurf und Enttäuschung lag darin.
    «Bitte vergib mir, heilige Mutter Gottes», murmelte Eva und senkte den Kopf. «Es ist doch auch nur eine Art von Almosen.»
    Rasch legte sie das Bündel aus ihren abgetragenen Kleidern in eine Ecke, bekreuzigte sich nach altem Glauben vor Maria und verließ die Kapelle.
    «Warum hast du unsere Sachen da reingelegt?», fragte Niklas.
    «Das erklär ich dir gleich. Jetzt komm.»
    Sie gingen hinunter zum Ufer, wo die Bootsleute gerade dabei waren, ihre Fracht abzuladen.
    «Grüß Euch Gott», sagte Eva höflich. «Wisst Ihr, wo meine Herrschaften in diesem Ort gut speisen und nächtigen können?»
    «Am besten im
Löwen
», entgegnete einer der Männer. «Aber da müssen deine Herrschaften schon ein paar Goldgulden parat haben.»
    «Das haben sie, mit Sicherheit. Wo find ich den
Löwen

    «Einfach über die Brücke weg und dann gleich links.»
    Sie bedankte sich und beeilte sich weiterzukommen.
    «Was faselst du da?» Niklas war nun vollkommen verwirrt.
    «Lass mich nur machen. Am besten hältst du einfach denMund, wenn wir im
Löwen
sind. Nach dem Essen schicke ich dich zur Anlegestelle am Fluss. Ich spreche so laut, dass es der Wirt hört. Du aber gehst schnurstracks zu der Kapelle und wartest da auf mich. Hast mich verstanden?»
    Sie musterte ihn streng, und er nickte verunsichert.
    Zu Evas Erleichterung kümmerte sich der Brückenwächter nur um die Leute, die Waren mit sich brachten, und würdigte Niklas und sie keines Blickes. Je weniger Menschen sich später an sie erinnerten, umso besser.
    Als sie vor dem Gasthaus standen, beschlich Eva dann doch heftiges Bauchgrimmen. Mit dem, was sie vorhatte, konnten sie im Turm enden. Andererseits blieb ihr keine andere Wahl. Und letztlich wäre eine Turmstrafe nicht einmal das Schlimmste. So kämen sie wenigstens für ein paar Tage zu Wasser und Brot, bevor man sie aus dem Ort jagen würde.
    Der
Löwe
war ein ähnlich stattlicher Steinbau wie der Gasthof von Alois’ Oheim. Auch hier waren Remise und Stallungen angebaut, auch hier führte eine blankgeputzte Freitreppe zu der zweiflügeligen Eingangstür. Nur dass darüber ein in Gold gestickter Löwe als Banner aushing. Nach

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