Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
wirklich wie das ärgste Lumpenpack, lagerten einfach nächtelang als Wildfremde in ihrer Scheuer und trugen nicht mal Kleider auf dem Leib.
    «Leg dich wieder hin und schlaf noch ein bisserl», sagte sie zu Niklas und führte ihn zurück auf das Stroh. Er war noch sichtlich schwach auf den Beinen. «Ich geh nur frisches Wasser holen. Bin gleich wieder zurück.»
    «Aber – wenn der Feldschütz mit dem Hund kommt?»
    «Keine Angst. Bis Mittag dürfen wir bleiben, die Frau hat’s versprochen.»
    Frisches Wasser gab es wahrhaftig. Nur ein kleines Stück die Wiese hinauf fand Eva eine steinerne Viehtränke mit klarem Quellwasser. Sie füllte den Schlauch, dann wusch sie sich gründlich Gesicht und Hände. Zurück bei der Scheune, setzte sie sich auf die sonnenbeschienene Schwelle, kaute Löwenzahnblätter und wartete. Nach und nach gab die Wärme ihr die Kraft zurück.
    Die Sonne stand schon recht hoch am Himmel, als Niklas erwachte. Er hatte im Schlaf kaum noch gehustet.
    «Was meinst – kannst du weiterwandern?», fragte sie und reichte ihm das letzte Stück Brot.
    «Bestimmt.»
    Während sich Niklas Hemd und Hose überstreifte, band sie ihre Geldkatze vom Rockbund und schüttete ihren kleinen Schatz aus. Acht Batzen, alles in allem – das musste reichen für einfache Holzpantinen und ein neues Hemd für Niklas. Vielleicht sogar für eine hübsche Schürze, mit der sie die ärgsten Flecken und Risse in ihrem Rock überdecken konnte.
    «Bist du fertig? Dann komm rasch. Besser, wir sind weg, bevor die Bauersleut auftauchen.»

16
    «Na, wie seh ich aus?»
    In eleganter Manier drehte sich Eva auf den Fußspitzen einmal um sich selbst.
    «Wie eine junge Bürgersfrau!»
    «Jetzt übertreibst aber.»
    Dabei war sie selbst überrascht, mit welch geringen Mitteln es ihnen gelungen war, wie zwei andere Menschen auszusehen. Niklas trug ein neues, frischgestärktes Leinenhemd, dazu eine fast makellose Hose, die nur ein wenig zu groß war. Sie selbst hatte eine lindgrüne Schürze mit Spitzenbesatz erstanden und dazu ein großes Schultertuch aus dunkelgrünem Wollstoff, mit dem sich die gröbsten Flecken auf ihrem Mieder überdecken ließen. Die Holzschuhe von ihr und Niklas waren zwar gebraucht, aber sie hatten sie mit einer jungen Zwiebel, die sie aus dem Acker gezogen hatten, so lange eingerieben und poliert, dass sie jetzt glänzten wie die Speckschwarten. Zur Feier des Tages hatten sie schließlich in dem einsamen Fischweiher, an dessen Ufer sie jetzt standen, ein Bad genommen und sich die Haare gewaschen. Mit den Fingern hatte Eva ihre Locken aus der Stirn gekämmt und mit einem rostroten, breiten Haarband nach hinten gebunden. Zum Schluss hatte sie ihrem Bruder mit Hilfe ihres kostbaren Messers die Haare zu einem ordentlichen Rundschnitt gestutzt.
    Eva holte tief Luft. «Jetzt hält uns keiner mehr für Bettler.»
    Ihr Bruder nickte. Er war noch immer sehr blass und wirkte bereits völlig erschöpft, obwohl sie an diesem Tag kaum marschiert waren. Besser gesagt, waren sie keinen Deut vorangekommen, denn es war schon später Nachmittag, und sie befanden sich gerade mal eine Wegstunde hinter Schmidmühlen.
    Dort nämlich hatte eine Dult für allerlei gebrauchte Waren stattgefunden, und als Eva nach ihrem Aufbruch aus der Scheune davon erfahren hatte, hatte sie beschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen. Nur: Wie sollten sie hineinkommen in den Flecken, als Fremde, so abgerissen, wie sie aussahen? Da war ihr Alois eingefallen. Der kannte sicher Gott und die Welt. Mit ihm zur Seite würden sie unbehelligt ihre Besorgungen machen können.
    Der Schankbursche war nicht wenig überrascht gewesen, sie so schnell wiederzusehen. Da es noch vor der Mittagszeit war und die Gaststube daher fast leer, erbat sich Alois vom Wirt, der sich als sein Oheim herausstellte, für eine halbe Stunde Ausgang. Ohne Schwierigkeiten brachte er sie durch das Tor auf den Markt. Zudem kannte er einen Tändler, der einen ganzen Berg voll Kleidungsstücke auf seinem Schragentisch feilbot. Alois hatte mit dem Mann so lange verhandelt, bis der für Schuhe, Hemd, Schürze und Schultertuch um den halben Preis heruntergegangen war und das Haarband noch als Dreingabe verschenkte. Dennoch war Evas Beutel nach diesem Einkauf so gut wie leer. Es reichte gerade noch für ein halbes Vierpfünderbrot und einen Kanten Käse.
    Als sie schließlich wieder vor dem Gasthaus standen, bat Alois sie zu warten. Kurz darauf war er zurück mit einer wollenen Strumpfhose für

Weitere Kostenlose Bücher