Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
der Hitze des Tages empfing die großzügige Diele sie mit angenehmer Kühle. Links führte eine Treppe nach oben, wahrscheinlich zu den Schlafräumen, rechts eine kunstvoll geschnitzte Tür in die Gaststube.
    Eva legte sich ihr Schultertuch zurecht, strich die Schürze glatt und trat ein. Nur ein einziger Tisch in dem großen, sauber gekehrten Raum war besetzt.
    «Ist der Löwenwirt zu sprechen?», fragte sie das Schankmädchen, das eben die Tische für die Abendmahlzeiten abwischte. «Es geht um eine größere Reisegesellschaft.»
    Das Mädchen nickte nur und verschwand in der Küche. Gleich darauf erschien der Wirt, ein untersetzter Mann mit tiefen Pockennarben im Gesicht. Er sah sie erwartungsvoll an.
    «Gott zum Gruß, Meister.» Eva deutete einen vornehmen Knicks an und setzte ihr strahlendstes Lächeln auf. «Ich bin die Hausmagd eines reichen Regensburger Kaufmanns und auf der Suche nach einem kommoden Nachtquartier für meinen Herrn und seine Männer. Ordentlich zu speisen wünschen sie natürlich auch, und da hat man mir Euer Haus sehr empfohlen.»
    Der Mann nickte eifrig und rieb sich die Hände.
    «Wie groß ist denn die Gesellschaft?»
    «Zum Essen werden es recht viele sein.» Sie warf einen prüfenden Blick in den Raum, als ob sie bezweifelte, dass darin eine so große Gesellschaft Platz finden würde. «Mein Herr kommt flussaufwärts mit einem Zug aus vier Schiffen, sie führen wertvolles Salz mit sich.»
    Die Augen des Wirts leuchteten begehrlich.
    «Lasst mich also nachdenken», fuhr Eva fort, «neben meinem Herrn sind da noch der Schiffsmeister, der Kondukteur und zwölf Bootsleute. Ach ja, beinahe hätte ich die Führer der Treidelpferde vergessen. Das sind noch einmal zwölf an der Zahl.»
    «Siebenundzwanzig», murmelte der Mann und stieß einen leisen Pfiff aus. Dann sagte er laut: «Ich nehm an, die Bootsleute übernachten auf den Schiffen?»
    Eva nickte. «Seid Ihr denn gerüstet für eine solch große Gesellschaft? In etwa zwei Stunden werden sie hier anlegen.»
    «Aber ja, keine Sorge. Ich lass die drei Tische dort beim Ofen zusammenstellen. Setzt euch nur schon dorthin.»
    Dann stutzte er. Sein Blick war auf Niklas gefallen, der seine Schwester aus runden Augen und mit offenem Mund anstarrte.
    «Was ist mit dem da?», fragte der Wirt leise.
    «Das ist der Sohn des Schiffsmeisters. Er ist stumm und daher ein bisserl seltsam – Gott sei ihm gnädig.» Sie warf ihrem Bruder einen warnenden Blick zu.
    «Das arme Kerlchen. Wollt ihr so lange einen Krug Bier?»
    «Sehr gern, habt vielen Dank.»
    Kurz darauf saßen sie an einer langen Tafel und genossen das würzige, dunkle Bier. Aus der Küche hörten sie aufgeregte Stimmen und lautes Rumoren, bald drangen köstliche Düfte zu ihnen heraus.
    «Gut gemacht, Igelchen», flüsterte Eva. Doch Niklas sah aus, als würde er jeden Augenblick zu heulen anfangen. Bestimmt verging er vor Heißhunger, und auch sie selbst spürte, wie ihr leerer Magen zog und zerrte. Dennoch: Sie durften nichts übereilen.
    Nach und nach trafen die ersten Gäste ein, und das Schankmädchen musste immer wieder jemanden von ihrer Tafel abweisen. Als der Wirt den Kopf aus der Küche herausstreckte und fragte, wie viele Gänge die Herrschaften wohl wünschten, sah Eva die Gelegenheit gekommen.
    «Vier, fünf Gänge sollten genügen. Aber von allem reichlich. Ach – und wenn Ihr vielleicht so freundlich wärt, uns eine Kleinigkeit vorab zu bringen? Sobald mein Herr hier ist, werde ich mich nämlich um sein Gepäck und sein Nachtlager kümmern müssen.»
    «Selbstverständlich, keine Frage. Wie wär’s mit gebratenen Eiern und Speck? Die sind schnell gemacht.»
    «Wunderbar.»
    Wenig später brachte der Küchenjunge eine Platte, auf der sich Eier und Unmengen von Speckscheiben eine halbe Elle hoch türmten. Ganz offensichtlich wollte der Wirt sich von seiner großzügigsten Seite zeigen, denn der Junge legte noch vier Stücke Brot dazu und schenkte ungefragt Bier nach.
    Eva fühlte sich wie im Paradies. Die geschlagenen Eier waren gut angebraten und mit Kräutern gewürzt, der Speck knusprig. Eine so üppige Mahlzeit würde lange vorhalten.
    Sie waren beide mehr als satt, als die Platte leer war und sie mit dem Brot das Fett auswischten.
    «Trink aus und steck das restliche Brot unters Hemd», flüsterte sie Niklas zu. «Ich schick dich gleich fort. Aber sprich kein Wort, verstanden?»
    Dann rief sie laut nach dem Wirt.
    «Ich schick den Buben jetzt zur Anlegestelle, damit er

Weitere Kostenlose Bücher