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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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ihr das Gesicht. Er glaubte Flüche in mittelalterlichem Französisch zu vernehmen. Sie rieb sich den Nacken und richtete sich auf.
    »Nun, meine Liebe, brauchen Sie ein wenig Nahrung«, sagte Mrs. Amworth. Sie blickte sich um und nickte ihm zu.
    Beauregard lockerte seine Halsbinde und knöpfte sich den Kragen auf. Dann erstarrte er. Er spürte seinen Puls bis in die Fingerspitzen. Ein Manschettenknopf löste sich und fiel zwischen Hemd und Gehrock. Den Rücken gegen eine Mauer gelehnt, setzte
Geneviève sich auf. Ihre Miene wurde sanfter, der dämonisch gähnende Schlund verschwand, ihre Zähne aber blieben vergrößert, ragten hervor wie spitze Kieselsteine. Er stellte sich vor, wie sie den Mund an seine Halsschlagader setzte.
    »Charles?«, sagte jemand.
    Er wandte sich um. Neben einem Stapel Kohlkisten stand Penelope. In ihrem Reisemantel mit pelzbesetztem Kragen und dem geschleierten Hut wirkte sie ungefähr so fehl am Platze wie ein Indianer im Unterhaus.
    »Was machst du da?«
    Er war sofort versucht, seine Halsbinde zu richten, doch wie er so ungeschickt umhertastete, löste sich zu allem Überfluss auch noch sein Kragen.
    »Wer sind diese Leute?«
    »Sie braucht Nahrung«, insistierte Mrs. Amworth. »Sonst erleidet sie womöglich einen Zusammenbruch. Sie ist ja völlig erledigt, das arme Ding.«
    Morrison hatte seinen Ärmel aufgekrempelt und bot Geneviève sein Handgelenk, an dem sich winzige verschorfte Wunden befanden. Sie strich ihr Haar aus dem Gesicht und saugte.
    Angewidert die Nase rümpfend, wandte Penelope den Blick. »Charles, das ist höchst unanständig!«
    Sie stieß mit der Stiefelspitze gegen einen Kohlkopf. Die Strolche, die sich hinter Penelope versammelt hatten, trieben halblaut ihre Scherze. Und obgleich bisweilen derbes Gelächter aufbrandete, schien es zu verhallen, ohne an ihr Ohr zu dringen.
    »Penelope«, sagte er, »das ist Mademoiselle Dieudonné …«
    Geneviève drehte die Augen gen Himmel und blickte Penelope an. Ein schmales Blutrinnsal trat aus ihrem Mundwinkel, rann Morrisons Handgelenk hinab und tröpfelte aufs Pflaster.
    »Geneviève, das ist Miss Churchward, meine Verlobte …«
    Penelope bemühte sich nach Kräften, nicht ein lautes »Arrgh!«
hervorzustoßen. Geneviève ließ von Morrisons Arm ab. Er band sich ein Schnupftuch um das Handgelenk und knöpfte seine Manschette zu. Mit blutverschmiertem Mund stand sie auf. Der zerrissene Ärmel hing in Fetzen von ihrer Schulter. Sie presste sich das Mieder an die Brust und vollführte mit schmerzverzerrtem Gesicht einen Knicks.
    Indessen hatten sich Polizisten unter die Zuschauer gemischt, und die Strolche liefen auseinander. Mit einem Mal hatte das Marktvolk alle Hände voll zu tun, stemmte Kisten und feilschte um Preise.
    Mrs. Amworth legte stützend einen Arm um Geneviève, doch diese wand sich mit sanfter Bestimmtheit aus der Umklammerung. Sie lächelte vor lauter Freude darüber, dass sie aufrecht stehen konnte. Beauregard hielt sie für leichtsinnig, sich nach solch schwerwiegenden Verletzungen sogleich zu nähren.
    »Lord Godalming meinte, du seiest womöglich in der Nähe des Café de Paris in Whitechapel zu finden«, sagte Penelope. »Ich hatte gehofft, diese Auskunft würde sich als irreführend erweisen.«
    Beauregard wusste, dass jeder Versuch einer Erklärung dem Eingeständnis einer Niederlage gleichkäme.
    »Ich habe einen Wagen«, sagte sie. »Kommst du mit mir nach Chelsea zurück?«
    »Ich habe dringende Geschäfte zu erledigen, Penelope.«
    Sie bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln, doch ihre Augen waren stahlblaue Punkte. »Ich werde mich nicht weiter nach deinen ›Geschäften‹ erkundigen, Charles. Ich weiß, was sich für mich geziemt.«
    Geneviève wischte sich mit einem Zipfel ihres Kleides über den Mund. Gemeinsam mit Morrison und Mrs. Amworth zog sie sich diskret zurück. Clayton stand verwirrt umher, ein Kutscher ohne Kutsche. Er würde warten müssen, bis der Abdecker sich seines Pferdes angenommen hatte.

    »Im Falle, dass du mich zu besuchen gedenkst«, fuhr Penelope fort und setzte ihm sogleich ein Ultimatum, »ich erwarte dich morgen Nachmittag im Hause meiner Mutter.«
    Sie wandte sich um und ging. Ein Markthelfer stieß einen Pfiff aus, und sie drehte den Kopf und brachte ihn mit eisigem Blick zum Schweigen. Kleinlaut schlich der Mann in den Schatten hinter einer Reihe Rinderhälften. Mit winzigen Schritten trippelte Penelope davon, den Schleier tief vor das Gesicht gezogen.
    Als sie

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