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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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nun gekommen sein. Die Artuslegende erlebte eine Renaissance, welche durch die Missbilligung seitens der Regierung eher befördert denn behindert wurde. In den Reihen der Rebellen, die sich bislang allein aus Sozialisten, Anarchisten oder Protestanten rekrutierten, befanden sich nun auch allerhand britische Mystiker und Heiden. Lord Ruthven verbot die Werke Tennysons, allem voran seine Königsidyllen, und auch ehemals harmlose Schriften wie Bulwer-Lyttons König Artus oder Die Verteidigung der Guinevere von William Morris zierten den Index der verpönten Bücher. Mit jeder Proklamation rückte das neunzehnte Jahrhundert dem fünfzehnten ein wenig näher. Ruthven versprach allen Dienern
der Krone neue Uniformen; Beauregard befürchtete, die Entwürfe könnten wie eine Livree geraten, so dass die Polizei bald Sturmhauben und Strumpfhosen sowie emblembesetzte Heroldsröcke über Lederkollern tragen würde.
    Weder Geneviève - immerhin ein Mädchen aus dem fünfzehnten Jahrhundert - noch Beauregard tranken etwas, sondern begnügten sich damit, die anderen Gäste zu beobachten. Neben den benebelten Bürgergardisten war die Schenke voller Frauen, bei denen es sich entweder um echte Prostituierte oder aber verkleidete Polizeibeamte handelte. Dies war nur eine unter vielen albernen Strategien, die man zunächst belächelt, schließlich jedoch allen Widrigkeiten zum Trotz in die Tat umgesetzt hatte. Wenn man sie danach fragte, rangen Lestrade und Abberline verzweifelt die Hände und wechselten schleunigst das Thema. Gegenwärtig fand sich Scotland Yard durch einen gewissen Inspektor Mackenzie in große Verlegenheit gesetzt, der sich am Schauplatz des Verbrechens befunden und es dennoch nicht vermocht hatte, die Ermordung eines Angehörigen der Karpatischen Garde mittels einer Dynamitstange zu vereiteln, und folglich - kaum überraschend - zur langen Liste derer gehörte, die unter rätselhaften Umständen verschwunden waren. Ein Rinnsal der Missbilligung entsprudelte dem Urquell des Palastes, begoss den Premierminister und das Kabinett, überschwemmte mit wachsender Gewalt die unteren Schichten der Gesellschaft und schwoll auf den Straßen Whitechapels schließlich zu einem reißenden Strom heran.
    Der chinesische Älteste hatte sich nicht wieder blicken lassen, und so konnte Beauregard wenigstens zufrieden damit sein, dass er an des Teufelsdoktors Netz gerüttelt hatte. Er hatte angenommen, dass alles aus Asien stammende Böse dem Herrn der seltsamen Tode zu Diensten stand. Die Bestätigung dieser Vermutung gehörte zu den wenigen Erfolgen, die er in dieser Angelegenheit errungen hatte, was ihn jedoch keineswegs mit Stolz erfüllte. Ihm
war nicht im mindesten daran gelegen, dem Limehouse-Ring einen über die bereits bestehende Verbindung hinausgehenden Gefallen zu schulden.
    Innerhalb der herrschenden Clique des Diogenes-Clubs war die Rede von offener Rebellion in Indien und im Fernen Osten. Ein Reporter der Civil and Military Gazette hatte versucht, den Generalgouverneur zu ermorden. Varney war unter der einheimischen Bevölkerung wie auch unter seinen eigenen Soldaten und Beamten ebenso beliebt wie Kaiser Caligula. Nicht wenige Bewohner ihres Reiches stellten das Herrschaftsrecht der Königin infrage, weil sie sehr wohl spürten, dass sie mit ihrer Wiedergeburt ihrem Gemahl die Krone übergeben hatte. Von Woche zu Woche wuchs die Anzahl der Gesandten, die sich vom britischen Königshof lossagten. Die Türken, deren Gedächtnis länger zurückreichte als gemeinhin angenommen, verlangten wütend nach Entschädigung für jene Kriegsverbrechen, die Vlad Tepes zu Lebzeiten begangen hatte.
    Beauregard versuchte Geneviève anzublicken, so dass sie es nicht bemerkte, damit sie nicht in seine Gedanken zu dringen vermochte. Im Dämmerlicht wirkte sie geradezu lächerlich jung. Ob Penelope - deren Haut immer noch verbrannt war und die wie ein Säugling mit kleinen Schüssen Ziegenblutes ernährt werden musste - je wieder in solcher Blüte stehen würde? Ob sie, selbst wenn sie vollkommen gesundete, wie Dr. Ravna ihm versichert hatte, je wieder sein würde wie früher? Penelope war zum Vampir geworden, und der neue Geist, welcher in luzideren Augenblicken durchzuschimmern pflegte, war ihm fremd. Doch auch vor Geneviève musste er auf der Hut sein. Es war schon nicht ganz leicht, seine Gedanken im Zaum zu halten, es war jedoch unmöglich, einem Vampir volles Vertrauen zu schenken.
    »Sie haben Recht«, sagte sie. »Er spukt immer noch

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