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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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dort draußen herum. Er hat nicht aufgegeben.«

    »Vielleicht ist der Ripper ja auf Urlaub?«
    »Oder anderweitig verhindert.«
    »Manche sagen, er sei Schiffskapitän. Er könnte sich auf einer Seereise befinden.«
    Geneviève dachte angestrengt nach und schüttelte dann den Kopf. »Nein. Er ist noch hier. Das spüre ich.«
    »Sie klingen ganz wie dieser Hellseher, Lees.«
    »Auch das ist Teil meiner Persönlichkeit«, erklärte sie. »Der Prinzgemahl wandelt die Gestalt, und ich ahne gewisse Dinge. Das hat mit unserem Geblüt zu tun. Über allem liegt ein Nebel, und dennoch spüre ich, dass der Ripper irgendwo dort draußen lauert. Er ist noch nicht am Ende.«
    »Dieses Lokal behagt mir nicht«, sagte er. »Lassen Sie uns gehen und sehen, ob wir uns nützlich machen können.«
    Sie erhoben sich, und er legte ihr den Umhang um die Schultern. Woodbridges Sohn stieß einen Pfiff aus, und Geneviève, die ebenso galant zu tändeln vermochte wie Penelope, wenn die Laune sie befiel, warf ihm über die Schulter ein kokettes Lächeln zu. In ihren Augen war ein seltsames Funkeln.
    Sie waren wie Polizisten durch Whitechapel patrouilliert und hatten jedermann befragt, der auch nur in entferntester Verbindung zu den Opfern oder deren Umgang gestanden haben mochte. Beauregard wusste mehr über Catherine Eddowes oder Lulu Schön als über seine eigene Familie. Während er die Bruchstücke ihres Lebens durchforstete, wurden sie ihm immer greifbarer. Waren sie zunächst nichts als Namen im Polizeibericht gewesen, so schienen sie ihm jetzt beinahe wie alte Freunde. Die Presse bezeichnete die Opfer als »Straßendirnen der niedrigsten Sorte«, und die Police Gazette schilderte sie als blutgierige alte Vetteln, die ihr Schicksal nachgerade herausgefordert hatten. Wenn er sich jedoch mit Geneviève, Georgie Woodbridge oder Sergeant Thick besprach, erwachten die Frauen zum Leben. Wie elend und hilflos
auch immer sie gewesen sein mochten, sie waren trotz alledem empfindsame Kreaturen, welche die harsche Behandlung, die sie bis über den Tod hinaus erleiden mussten, keineswegs verdienten.
    Von Zeit zu Zeit flüsterte er den Namen »Liz Stride« vor sich hin. Niemand sonst - schon gar nicht Geneviève - brachte das Thema je zur Sprache, doch war er sich durchaus bewusst, dass er das Werk des Rippers an ihr vollendet hatte. Er hatte sie von ihrem Elend befreit wie einen Hund. Aber vielleicht wollte ein Vampir seine Seele ja gar nicht auf diese Weise geläutert sehen. Die epochale Frage lautete: Wie sehr muss ein Mensch sich verändern, bis er kein Mensch mehr ist? So sehr wie Liz Stride? Oder Penelope? Oder gar Geneviève?
    Wenn sie nicht gerade eine der unzähligen falschen Fährten verfolgten, die sich Nacht für Nacht auftaten, wanderten sie ziellos umher, in der Hoffnung, auf einen Mann mit einem großen Sack voller Messer und Finsternis im Herzen zu stoßen. Wenn man es recht bedachte, war es widersinnig und absurd. Doch hatte diese Prozedur durchaus ihr Gutes. Sie hielt ihn fern von der Caversham Street, wo Penelope mit allerlei wunderlichen Leiden kämpfte. Er befand sich immer noch im Ungewissen, was seine Verpflichtungen ihr gegenüber betraf. Mrs. Churchward hatte erstaunliches Rückgrat bewiesen, indem sie ihr neugeborenes Mädchen pflegte. Nachdem ihr bereits eine Nichte genommen worden war, die sie wie eine Tochter großgezogen hatte, war sie nun fest entschlossen, ihrem leiblichen Kind alles erdenklich Gute angedeihen zu lassen. Beauregard konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass seine Verbindung mit den Churchward-Mädchen nicht gerade zu deren Vorteil geraten war.
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe«, sagte Geneviève. Allmählich gewöhnte er sich an ihre unberufenen Einmischungen. »Lord Godalming ist es, den man mit Silberketten durchprügeln sollte.«
    Soviel Beauregard wusste, hatte Godalming die arme Penelope verwandelt und hernach sich selbst überlassen, worauf sie durch ein gröbliches Versehen sich der mörderischen Sonne ausgesetzt und beflecktes Blut getrunken hatte.
    »Was mich betrifft, so halte ich Ihren adeligen Freund für ein ausgesprochenes Schwein.«
    Beauregard hatte Godalming, der mit dem Premierminister auf sehr vertrautem Fuße stand, seither nicht gesehen. Wenn diese Angelegenheit beendet war, würde er seinen Streit mit Arthur Holmwood ausfechten. Wie Geneviève ihm erklärte, gebot schon der Anstand einem treusorgenden Fangvater, bei seinem Spross zu bleiben und dem Neugeborenen während der

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