Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
größeren Schaden an als Bilderstürmer wie Kate Reed mit ihrer schneidenden Kritik. Beauregard wäre es lieber gewesen, Kate hätte die weißen Klippen von Dover verteidigt als ein Regiment von Northcliffes fahnenschwenkenden Schmieranten.
    »Hurra«, rief Templar, »die Camels kommen.«
    Ein geflügelter Feuerball brach jaulend durch die Wolken und steuerte, stetig und unaufhaltsam, ins Niemandsland. Krachend bohrte sich das Flugzeug in den Boden.
    Luftherrschaft bedeutete, den Feind daran zu hindern, mit seinen Flugzeugen Bildaufklärung zu betreiben und strategische Erkenntnisse zu sammeln. Die Deutschen, und bis zu einem gewissen Grade auch die Alliierten, verschwendeten tonnenweise Druckerschwärze auf die Heldentaten ihrer Ritter der Lüfte, doch es war ein schmutziges, blutiges Geschäft. Wie die Dinge lagen, besaß ein britischer Beobachter, sofern er nicht auf Richthofen stieß, bessere Chancen als sein Gegner, Einzelheiten über Truppenverteilung und Geschützstände in Erfahrung zu bringen.
    Ein zweiter Deutscher ging nieder, langsam, wie im Anflug auf ein Rollfeld. Die Maschine geriet ins Trudeln und zerschellte in der Luft, als sei sie gegen eine unsichtbare Wand geprallt. Der Pilot im Cockpit war vermutlich bereits tot gewesen.
    »Der Versorgungsgraben wird auch morgen noch seinen Dienst erfüllen.«
    Wenn man sich umsah, so schien dies kaum der Rede wert.

    Es war ein recht ruhiger Nachmittag an der Front. Zwar feuerten die beiden Parteien halbherzig aufeinander, doch ein Großangriff blieb aus. Es ging das Gerücht, dass feindliche Divisionen von der Ostfront, durch den Friedensvertrag mit dem neuen Russland entbunden, langsam nach Europa vordrangen. Und das war keineswegs aus der Luft gegriffen. Den Berichten zufolge, die Beauregard von den Berliner Agenten des Diogenes-Clubs erhalten hatte, rüsteten sich Hindenburg und Dracula für die Kaiserschlacht. Sie planten, die verbleibenden Truppen der Mittelmächte in einen verlustreichen Angriff auf Paris zu werfen und durch eine letzte große Offensive zum Sieg zu gelangen. Doch wenn Leute wie Mireau und Haig diese sorgfältig zusammengetragenen Informationen unbeachtet ließen, reichte selbst das aller Voraussicht nach nicht aus, dem Morden Einhalt zu gebieten.
    Sie befanden sich in unmittelbarer Nähe der Front. In einem fort erschütterten Granateinschläge die Erde. Alles bebte oder klapperte: Stahlhelme, Grabenroste, Kochgeschirr, Ausrüstungsgegenstände, berstendes Eis, Zähne. Beauregards Interesse galt jedoch nicht den vorgeschobenen Stellungen, sondern einem seltsamen unterirdischen Stand direkt hinter den Linien.
    Vor einigen Monaten hatte er erfahren, dass Dr. Moreau ein Frontlazarett leitete, in dem vor allem Schwerverwundete behandelt wurden. Dies war derselbe Naturforscher, der seiner Vivisektionen wegen wiederholt aus akademischen Zirkeln ausgeschlossen und von der Tagespresse angefeindet worden war. Beauregard war dem Wissenschaftler schon einmal begegnet, in den Wirren eines anderen blutigen Krieges. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass Moreau auch nur die leiseste patriotische oder philanthropische Regung verspürte. Und doch war er hier, am schlimmsten Ort der Welt, und riskierte allem Anschein nach die eigene Haut, um fürchterliches Leid zu lindern.
    Beauregard wollte Dr. Moreau in Sachen Geertruida Zelle konsultieren.
Wenn jemand diesseits der Linien Licht in das Dunkel des Château du Malinbois zu bringen vermochte, dann er.
    Zur Front hin verengte sich der Graben. Sandsäcke explodierten. Wo man Breschen unterstützt und aufgeschüttet hatte, waren große Feldschanzen entstanden. Templar pfiff seltsam zwitschernd eine kleine Melodie. Beauregard hatte gehört, der Neugeborene sei ein braver Offizier, der um das Wohl seiner Leute sehr besorgt sei.
    Drei Tommies saßen rauchend um einen wackeligen Tisch und spielten Karten. Eine Hand ragte aus der gefrorenen Wand, zwischen den starren weißen Fingern steckte ein Kartenfächer. Beauregard war so oft an der Front gewesen, dass ihn derlei schwarzer Humor nicht mehr schrecken konnte. Der unbekannte Soldat lag zu tief verschüttet, um ihn auszugraben, ohne einen Einsturz zu verursachen. Seine Befreiung würde bis Kriegsende warten müssen.
    Beauregard dachte an die Karikatur zweier britischer Soldaten, die in einem Granattrichter saßen und sich unterhielten. »Ich habe mich auf fünfundzwanzig Jahre dienstverpflichtet«, sagte der eine. »Du Glückspilz«, erwiderte sein Kamerad.

Weitere Kostenlose Bücher