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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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»Ich auf Kriegsdauer.«
    »Moreau ist dort unten, Sir«, sagte Templar und hob eine steife Zelttuchklappe.
    Der Eingang glich dem eines Bergwerks. Ein mit Sandsäcken versteifter Tunnel führte nach unten, der Boden war mit Brettern ausgelegt, die Decke mit Wellblech verkleidet. In etwa zwanzig Fuß Entfernung baumelte eine Glühbirne von einem Balken, jenseits davon war nichts zu sehen. Seimiger Schlamm sickerte vom Graben in den Tunnel und wurde über Rinnen abgeleitet. Beauregard überlegte, wo sich der zähflüssige Unflat sammeln mochte.
    Ein schriller Schrei drang aus dem Tunnel, gefolgt von ersticktem
Stöhnen und Ächzen. Die Laute schienen eher von einem Tier zu stammen denn von einem Menschen.
    »So geht es tagaus, tagein«, sagte Templar stirnrunzelnd. »Dr. Moreau vertritt die Ansicht, dass körperlicher Schmerz gesund und heilsam sei. Wer Schmerzen hat, der fühlt noch etwas. Erst wenn man nichts mehr fühlt, wird es gefährlich.«
    Ein zweiter Schrei wurde, wie mit einer Garotte, abgewürgt.
    »Eine Klinik so nahe an der Front, ist das nicht ungewöhnlich?«
    Templar nickte. »Doch. Aber praktisch. Wenn auch nicht besonders gut für die Moral der Truppe. Die Lage ist schon schlimm genug. Manchen Männern ist der gedämpfte Lärm unheimlich. Sie haben größere Angst davor, in dieses Loch hinabzuwandern, als im Kampf verwundet zu werden. Alberne Geschichten sind im Umlauf. Man erzählt sich, dass der Doktor die Verwundeten zu Experimentierzwecken missbraucht.«
    Beauregard konnte es den Soldaten nicht verdenken. Im Hinblick auf Dr. Moreaus Vergangenheit erschienen die Geschichten nicht mehr ganz so albern.
    »Als ob sich aus der Folter von Verwundeten Erkenntnisse ziehen ließen. Lächerlich.«
    Für einen Vampir war Templar ein anständiger Bursche; vielleicht zu anständig. Solch heilige Einfalt trübte den Blick für die oft sinnlose Grausamkeit des Menschen.
    Beauregard trat in den Tunnel. Eine seltsamer Gestank erfüllte die enge Röhre, ein durchdringender Schwefelgeruch. Der Flackerschein der Lampe tünchte die Wände rot.
    Der Lieutenant blieb am Eingang stehen, wie ein Vampir des Altertums an der Schwelle zu geweihtem Boden.
    »Gehen Sie ruhig ohne mich weiter, Sir. Sie können es gar nicht verfehlen.«
    Beauregard fragte sich, ob Templar tatsächlich so frei von Aberglaube
war, wie er behauptete. Er drückte die ruhige Hand des jungen Mannes und verschwand in der Dunkelheit jenseits des Lichts.
     
    Der Tunnel endete an einer massiven Eisentür. Sie hier herunterzuschaffen und in die steinige Erde einzupassen, musste eine Herkulesarbeit gewesen sein. Ein ungewöhnlicher Soldat stand Wache. In seiner gebückten Haltung reichte er Beauregard kaum bis zur Hüfte. Seine Arme waren sechs Zoll zu lang für seine Ärmel, der größte Teil seines bräunlichen Gesichts war dicht mit Haaren bewachsen, riesige Zähne stülpten die Lippen aus zu einem äffischen Grinsen, und rote Male, wie verheilte Wunden, bedeckten die schlaffen Hautfalten am Hals und an den Handgelenken. An manchen Stellen beulte sich seine Uniform, an anderen wieder spannte sie.
    Beauregard hielt den Wachposten für einen Wilden, vermutlich aus einem in der Südsee gelegenen Winkel des Empire. Vielleicht ein vom Riesenwuchs befallener Pygmäe. In Kriegszeiten konnte König Victor keinen Mann entbehren.
    Als er Beauregard näher kommen sah, umschloss der Posten mit langen Fingern sein Gewehr und richtete sich auf. Er entblößte bemerkenswerte Zähne, gelbliche Knochendornen, die aus einem Meer von scharlachfarbenem Zahnfleisch ragten.
    »Ich möchte zu Dr. Moreau«, sagte Beauregard.
    Die Knopfaugen des Wachpostens funkelten. Er schnaubte, und seine Nase wackelte, als führte sie ein Eigenleben. Hinter der Tür waren von neuem Schreie zu hören. Die Wache, die solches Getöse eigentlich hätte gewohnt sein müssen, wich erschrocken zurück und kauerte sich in eine Nische.
    »Dr. Moreau«, sagte Beauregard ein zweites Mal.
    Der Wachposten zog seine buschigen Brauen hoch und runzelte in äußerster Konzentration die Stirn. Er stellte sein Gewehr
beiseite, ergriff einen in die Tür eingelassenen Ring und zerrte mit aller Macht daran. Ruckend und quietschend öffnete sich das eiserne Portal.
    Ein Schwall blutigen Gestanks wehte in den Gang hinaus. Beauregard betrat eine aus Erde und Stein gehauene Kammer. Eine Reihe von Pritschen nahm gut die Hälfte des Gemachs in Anspruch. Auf den meisten lagen Patienten mit fürchterlichen Wunden, an

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