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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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immer diese Maschine flog, war ein Meister seines Fachs. Obgleich er seine Menschengestalt hinter sich gelassen hatte, wusste Stalhein um das stählerne Nervenkostüm, dessen es bedurfte, angesichts der unerwarteten Konfrontation mit den Fliegern des JG1 die Ruhe zu bewahren. Schleichs Snipe hatte sich von dem Schock erholt und kämpfte wie ein Löwe. Schleich flatterte einsam und mit zerfetzter Schwinge am Himmel und versuchte verzweifelt, zu seinem Gegner aufzuschließen.
    Zum Eingreifen war es noch zu früh, befand Stalhein. Sein Befehl lautete, sich aus dem Gefecht herauszuhalten, bis ein Brite Anstalten zur Flucht machte. Schleichs Snipe sackte erst ein wenig herab und zog dann steil nach oben, mit stotternden MGs. Richthofen tänzelte aus der Gefahrenzone. Zu Stalheins Erstaunen war die RE8 noch immer in der Luft. Der Beobachter hatte aufgehört zu schreien.

    Stachel senkte den Blick und nickte grimmig. Seine pelzige Halskrause sträubte sich. Er sah aus wie ein riesiger Brüllaffe. Die Blutgier des braven Bruno war so groß, dass er die Befehle des Barons glatt in den Wind geschlagen hätte.
    »Reiß dich zusammen, sonst kannst du deine Uniform an den Nagel hängen«, sagte Stalhein. In diesem Körper war seine Stimme so laut, dass sie alles andere übertönte. Obgleich es ihn nach Blut und einem Blauen Max gelüstete, schüttelte Stachel seinen kolossalen Kopf, blieb jedoch in Formation. Die Angst, seine Stellung zu verlieren, war größer als der rote Durst. Kein Flieger des JG1 hatte jemals seinen Abschied nehmen müssen. Stalhein konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass General Karnstein auf einer dauerhaften Versetzung in den Hades bestehen würde. Durch Furcht und Pflichtgefühl, Blutgier und Ehre gebunden, waren die Flieger des JG1 Sklaven und Herren zugleich. Sie waren nicht nur Ritter der Lüfte, sondern auch Gladiatoren.
    »Welch eine Verschwendung!«, brüllte Stachel.
    Görings Snipe heftete sich an das Heck der RE8, und der dicke Hermann schnaufte ihr mühsam hinterdrein. Unter der Last des Walspecks ächzend, der seinen verwandelten Wanst beschwerte, war Göring der langsamste Flieger des Geschwaders. Dennoch war er ein tödlicher Schütze, der seine Beute mit kurzen Salven und der Präzision eines Großwildjägers zur Strecke brachte.
    Der Kampf verlagerte sich weiter nach oben und trieb Stachel und Stalhein durch dünne Wolken in immer luftigere Höhen. Als Mondlicht auf Stalheins Schwingen fiel, prickelte sein ganzer Körper. Neue Kraft schoss wie Elektrizität durch Nerven und Venen. Das war typisch für diejenigen, die vom Geblüt des englischen Vampirs Lord Ruthven waren, dem einstigen Freund und jetzigen Feind des Grafen, und Stalhein hatte keine Ahnung, weshalb auch er davon betroffen war. Es war bereits ein Teil seines nosferatu- Naturells gewesen, bevor Karnstein ihn der lieblichen
Faustina vorgestellt und diese ihm etwas von Draculas Geblüt weitergegeben hatte.
    Das Licht erfüllte ihn mit unbändiger Kraft. Die Kälte um die Augen und in den Ohren zerstreute sich. Der Mondschein stärkte ihn fast ebenso sehr wie Blut. Wenn Wolken ihn des Lichts beraubten, wurde er teilnahmslos und träge. Seine Kraft wuchs und verging, wie die des sprichwörtlichen Werwolfs, mit der Lichtgestalt des Mondes.
    Obgleich Stalhein das stotternde Motorengeräusch noch immer deutlich wahrnahm, war die RE8 nicht mehr zu sehen. Hätte er sich an der Stelle des Beobachters befunden, wäre er gewiss verrückt geworden, noch ehe die Maschine unten aufschlug. Görings Snipe folgte dem Aufklärer, der dicke Hermann rückte auf.
    Nur Schleichs Snipe kämpfte unverdrossen weiter. Schleich lahmte im Flug; der Riss in seiner Schwinge vertiefte sich mit jedem Flügelschlag, er war zu groß, um sofort wieder zu verheilen. Der Rest des Schwarms flog im Windschatten der Snipe.
    Schleichs Snipe steuerte auf Stalhein und Stachel zu. Stalhein sah das winzige, weiße Gesicht des britischen Piloten. Es war Bigglesworth, das Ass, das auch Erich von Stalhein zu seinen Siegen zählte. Dass am Ende seines Steigflugs Stalhein auf ihn wartete, war die Rache des Schicksals.
    Stalhein winkte Stachel zurück. Diese Beute gehörte ihm. Da Stachel sich davon nicht beirren ließ, drängte Stalhein ihn mit der Schulter beiseite und ignorierte Stachels Wutausbruch.
    Der sirrende Propeller von Schleichs Snipe zog steil nach oben. Bigglesworth feuerte aus seinem Zwillings-Vickers. Stalhein sah die Leuchtspur silbrig blitzen und stahl

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