Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman

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in die Erde.
    Die Flugbrille bewahrte seine Augen davor, in den Schädel getrieben zu werden, doch sein Kopfschutz ging in Fetzen. Erde überschwemmte Mund und Nase. Ein spitzer Holm bohrte sich durch die Fliegerkluft in seine Seite. Sämtliche Glieder schmerzten, als habe man ihn in den Bauch, die Nieren und die Weichen getreten. Der Tod war einen Herzschlag, einen Atemzug entfernt.
    Cat, dachte er. Bitte verzeih mir meinen dummen Brief …
    Er hob den Kopf und befreite Mund und Nase hustend von Dreck und Erde. Er atmete wieder. Einmal. Zweimal. Sein Herz schlug noch. Vielleicht würde er ja doch nicht sterben? Oder war er etwa schon tot?
    All dies erinnerte ihn an die Schlachtfelder der Hölle, von denen Catrionas Vater, Reverend Kaye, immer gepredigt hatte, als Winthrop noch ein Kind gewesen war. Erstickte Schreie, Feuersäulen und rabenschwarze Nacht.

    Er ruckte und zuckte mit den Schultern und stieß den abgebrochenen Flügelrahmen von sich, der auf seinem Rücken lastete. Seine Fliegerkluft zerriss, als er das pfeilspitze Ende einer geknickten Strebe herauszog.
    Frierend richtete er sich auf und spürte nichts als Schmerzen. Seine klappernden Zähne waren mit einer Kruste aus Blut und Unrat überzogen. Er hustete und spuckte aus. Plötzlich drehte sich ihm der Magen um, und er musste sich übergeben. Endlich konnte er wieder richtig atmen. Er hatte keine Ahnung, welche Knochen gebrochen waren und welche nur schmerzten. Es ließ sich vermutlich leichter feststellen, welche Knochen nicht gebrochen waren.
    Ein greller Lichtblitz flammte auf und versengte ihm die Augen. Heiße Glut schien sein Gesicht zu streifen und sich im Nu wieder zu verflüchtigen. Der Motor war explodiert, doch für ein rechtes Feuer reichte der geringe Treibstoffrest nicht aus. Flammen züngelten über die dunkle Silhouette, die sich als Rumpfnase der guten alten Harry Tate entpuppte. Die Maschine hatte sich gewissermaßen geopfert, um ihn heil zur Erde zu bringen.
    Er musste so schnell wie möglich fort, bevor es zu einer zweiten Explosion kam, doch er konnte sich nicht rühren. Obgleich er kniete, schien es, als seien seine Beine fest im Boden verankert. Sein hämmernder Puls beruhigte sich allmählich. Er betastete sein rußiges Gesicht und zerrte sich die Überreste seiner Brille herunter. Es war, als hätten die Wolken sich geteilt. Mattes Mondlicht senkte sich auf ihn herab. Er zog sich Fliegerhaube und Balaklavamütze vom Kopf und wischte sich mit dem wolligen Lappen das Gesicht. Dann setzte er die Haube wieder auf.
    Das Niemandsland bot einen wahnwitzigen Anblick. Vor dem Krieg hatte Winthrop diese Gegend bereist. Damals hatte hier ein tiefer, kühler Wald gestanden. Nun waren die Bäume verschwunden. Der Boden war mit Kratern und Bombentrichtern gespickt
und, bis auf zählebiges Gestrüpp, jeglicher Vegetation beraubt. Stacheldrahtrollen lagen wild verstreut. Die RE8 hatte das rostige Gewirr mit sich geschleift, und die Dornen hatten tiefe Furchen in den Boden gezogen.
    Die Schlammwüste wimmelte von schmutzig grauen Leichen. Nur wenige Fuß entfernt lag ein mit Fangzähnen bewehrter Totenschädel unter einer Pickelhaube. Da der Boche inzwischen andere Helme trug, musste er sich seit der ersten Offensive hier befinden. Winthrop gab sich alle Mühe, Leichenteile, Uniformfetzen und freiliegende Knochen zu ignorieren. Diese seit vier Jahren hart umkämpften Felder waren mit Millionen von Toten besät.
    Er tastete Arme und Beine ab, und obschon er schwere Prellungen en masse davongetragen hatte, schienen die meisten Knochen intakt. Eine Kugel hatte sich wie ein Wurm in seine Stiefelsohle eingegraben. Seine Socke stand vor Blut, doch der Schuss hatte ihn nur gestreift.
    Als er aufstand, durchzuckte ein höllischer Schmerz sein rechtes Knie. Seine Kluft war aufgerissen, und das Pyjamaunterteil darunter hing in Fetzen, die Kniehosen hingegen klebten wie Pech an seinen Schenkeln. Er war noch ein wenig wacklig auf den Beinen, als ob er nach einem Monat auf See erstmals wieder Land betreten hätte. Er hatte sich rasch daran gewöhnt, dass er in der Luft nichts unter den Füßen hatte. Schwankend versuchte er ins Gleichgewicht zurückzufinden. Ihm schwirrte der Kopf, und er blinzelte und gähnte, um den Druck von seinen Ohren zu nehmen. Er bemühte sich nach Kräften, seinen Bezug zur Erde, zur Schwerkraft wiederherzustellen.
    Eine Leuchtkugel explodierte über seinem Kopf. Das grelle Licht blendete ihn. Weiße Fühler streckten sich zur Erde