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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Haaresbreite entkommen war.
    Die Offensive war allem Anschein nach gescheitert. Das Gerücht vom Tode Draculas machte die Runde, war jedoch ebenso schnell wieder verschwunden, wie es aufgekommen war.
    »Der Himmel hat uns eine Wassernymphe beschert«, sagte Chandler. »Bei den Hilfshangars droht eine Badenixe zu ertrinken. Sie trägt Ohrringe, sonst nichts.«
     
    Ein langgezogener Pfiff riss sie aus ihren Träumereien. Sie öffnete die Augen und stützte sich auf die Ellbogen. Am Bachufer stand ein Mann mit den Händen in den Taschen.
    »Sieh mal einer an, Miss Maus«, sagte Edwin. »Die Sonne bringt Ihre Sommersprossen hervorragend zur Geltung.«
    Sie schloss die Augen und ließ den Kopf wieder ins Wasser sinken.

48
England ruft
    E r nahm keine Anrufe entgegen. Beauregard saß in seinem Haus im Cheyne Walk. Der Schreibtisch war mit ungeöffneten Briefen übersät. Sein Diener Bairstow hatte sie, wie jeden Morgen, fein säuberlich dort ausgebreitet.
    Sein Blick fiel auf einen schmalen, mit blassvioletter Tinte adressierten Umschlag. Er war versucht, ihn aufzureißen, befürchtete jedoch, von neuem in einen Strudel der Empfindungen gestürzt zu werden, dem er nur mit knapper Not entronnen war. Geneviève zog den Ärger magisch an, und das schon seit Jahrhunderten.
Er liebte sie wahrscheinlich immer noch. Unnützer Gefühlsballast. Briefträger und Boten hatten Dienstsachen mit dem Stempelaufdruck »DRINGEND« überbracht. Auch sie waren ungeöffnet.
    Da er keine Zeitung las, schilderte Bairstow ihm den Kriegsverlauf in groben Zügen. Dass Caleb Croft seines Amtes enthoben worden war, verschaffte ihm wenig Befriedigung. Ruthven hatte unzählige Männer seines Schlages in petto, die mit Freuden an seine Stelle getreten wären.
    Dracula war in Berlin gesehen worden. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Kaiser hatte er den Palast wutentbrannt verlassen. Hindenburg war zum Oberkommandierenden der Heere aufgestiegen, die nach ihren jüngst erlittenen Schlappen zerstört und demoralisiert am Boden lagen. Dracula hatte die Verantwortung für das endgültige Scheitern der Kaiserschlacht auf sich genommen. Wie es schien, hatte die Opferung seiner Doppelgänger unter den Mannschaften und Offizieren zu großer Verwirrung und noch größerem Moralverlust geführt. Mittelalterliche Taktiken taugten eben nicht für dieses Jahrhundert. Doch Draculas Entmachtung war vermutlich nur von kurzer Dauer. Unkraut verging nicht.
    Er sah sich alte, gerahmte Fotografien an. Die Kamera verwandelte all ihre Opfer in Vampire, konservierte ihre Jugend für die unbekannte Zukunft. Auf einem Bild posierte die unsterbliche Pamela am Fluss, umringt von einer Schar kleiner Mädchen in Matrosenanzügen. Im Hintergrund war unscharf ein Boot zu erkennen. Die Mädchen waren Penelope, Kate, Lucy und Mina. Warmblütig und leicht zerzaust, wussten sie noch nicht, was einst aus ihnen werden würde.
    Auch Mrs. Harker hatte ihm geschrieben. Wie eh und je mischte sie sich ungefragt in anderer Leute Angelegenheiten. Sie versuchte ihn zu neuen Taten zu bewegen.

    Bairstow trat ins Zimmer, eine Visitenkarte lag auf seinem Zinntablett. Das Silber hatten sie bereits vor Jahren den Kriegsanstrengungen geopfert. Beauregard hob abwehrend die Hand, doch ein langbeiniges Spinnentier in Grau stieß den Bediensteten brüsk beiseite.
    »Beauregard, was bilden Sie sich eigentlich ein? Haben Sie auch nur den leisesten Schimmer, wie viele dringende Angelegenheiten meine ungeteilte Aufmerksamkeit erfordern? Stattdessen bin ich gezwungen, mich wie ein gemeiner Krämer persönlich hierherzuverfügen, um Ihnen eine Antwort zu entlocken!«
    Ruthven war sichtlich erregt. Von Churchill wusste Beauregard, dass das Kabinett gespalten war. Lloyd George hatte sich als außerordentlich halsstarrig erwiesen. Die Stellung des Premierministers war zwar gefestigt, aber keineswegs sicher.
    Lord Ruthven war nicht allein gekommen. Er befand sich in Begleitung von Smith-Cumming, dessen Bein vollständig nachgewachsen war.
    »Der Diogenes-Club hat seine Pforten neuen Mitgliedern geöffnet«, verkündete Smith-Cumming.
    »Crofts Leute haben uns nur Ärger eingebracht«, wetterte der Premierminister. »Seine schwachköpfigen Attentatsfantastereien hätten uns beinahe den Sieg gekostet. Das Vaterland braucht kluge Köpfe.«
    »Mycrofts Platz als Vorsitzender der Clique ist frei geworden«, sagte Smith-Cumming. »Und nur ein Mann kommt als sein Nachfolger infrage, Beauregard.«
    Er betrachtete die

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