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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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den Mischmasch aus Manuskript und Mantel in ihren bodenlosen Schlund. Das tiefe, düstere Gewässer schloss sich langsam, lautlos über dem Fragment des roten Kampffliegers.
    »Bleiben Sie hier, die Franzosen werden früher oder später wiederkommen«, sagte Theo. »Dann können Sie ein neues Buch schreiben. Ein hellsichtiges Buch, das der Wahrheit zu ihrem Recht verhilft.«
    »Die Wahrheit interessiert mich wenig, Theo.«
    Der Offizier zuckte die Achseln. »Das wundert mich nicht.«
    »Was haben Sie jetzt vor?«, fragte Poe.
    Ehe er sich umwandte und dem Schatten des Schlosses den Rücken kehrte, verzog Theo den Mund zu einem verschmitzten Lächeln und sagte: »Ich werde kämpfen, Eddy. Kämpfen für mein Vaterland.«

47
Nachwelten
    M it leeren Magazinen und fast leerem Tank hielt Winthrop nach einem geeigneten Landeplatz Ausschau. Maranique war vermutlich längst in deutscher Hand und kam somit nicht infrage, deshalb suchte er nach einer der Auffangstellungen bei Amiens. In der Aufregung hatte er die Orientierung verloren.
    Er richtete sich nach den Sternen und flog nach Osten. Unter ihm eilte Verstärkung in Richtung Kampfgebiet. Endlose Schlangen von Soldaten auf dem Rückzug ließen sie vorbei oder gruben sich ein, um Front zu machen. Zumindest hatte man ihm das
Hunnenland nicht einfach unter den Rädern weggezogen wie einen Teppich. Auch wenn er nicht zu landen und sich zu ergeben brauchte.
    Nun, da ihn Ball und Kate verlassen hatten, konnte er endlich wieder klar denken, als sei er soeben aus einem bösen, aber überwältigenden Traum erwacht. Und doch war er erschöpft, vergessene Wunden quälten ihn, und er spürte den Verlust. Ohne Balls Hilfe war er leider nur ein mäßiger Pilot.
    Der Steuerknüppel zitterte in seiner Hand. Noch bis vor wenigen Minuten war er ein fester Bestandteil seiner Maschine gewesen. Jetzt saß er auf dem Rücken einer bockbeinigen Bestie, die alles daransetzen würde, ihn abzuwerfen, sobald er auch nur die geringste Schwäche zeigte. Der Motor hustete, und die Verspannung ächzte.
    Er geriet in Versuchung, einfach am Steuerknüppel zu ziehen und in die Nacht, ins Nichts emporzufliegen. Er war nur mehr ein Schatten seiner selbst, weder der Mensch, der er einmal gewesen war, noch das Ungeheuer, in das er sich verwandelt hatte.
    Doch sein Lebenswille war stärker. Er tastete nach dem Knüppel und drückte die Maschine, bis die Blase in der Wasserwaage sich in Position befand. Er war fest entschlossen, das nächste durchgehende Stück Straße oder Wiese als Rollfeld zu benutzen. Doch im Augenblick wimmelte der Erdboden von Menschen. Das jahrelange Patt schien aufgehoben, und der Bewegungskrieg ging weiter.
    Links unter ihm brannten vertraute Lichter.
    Funkensprühende Signalfackeln markierten eine Piste. Hoffentlich war der Kommandeur der Truppe so klug gewesen, die Landebahn räumen zu lassen. Der Treibstoff reichte nicht, um eine Schleife zu fliegen und das Gelände zu sondieren. Also hielt er auf die violetten Lichter zu und zog die Camel herunter.
    Die Räder holperten durch hohes Gras. Die Maschine prallte
vom Boden ab, und die Rumpfnase kippte nach vorn. Winthrop wusste, dass sich die Camel überschlagen und ihn kopfüber in die Erde rammen würde.
    Jaulend riss ein Draht und peitschte ihm ins Gesicht. Die Maschine konnte jeden Augenblick koppheister schießen. Mit einem gezielten Schlag auf den Sicherheitsverschluss löste er seinen Gurt und wurde aus dem Sitz katapultiert. Der Steuerknüppel traf ihn in den Bauch und zwischen die Beine. Die Tragflächen knickten weg. Dann plötzlich drehte sich alles im Kreis, und er schlug mit dem Schädel auf. Zentnerschwere Trümmer begruben ihn unter sich.
    Schreie drangen an sein Ohr. Stechender Benzingeruch stieg ihm in die Nase.
    Leblos wurde er aus dem Wrack gezerrt. Er hörte, wie der Treibstoffrest mit lautem Krachen explodierte, und spürte einen Schwall warmer, ölgetränkter Luft. Flammenpfeile regneten vom Himmel.
    Der Tod streckte die Hand nach ihm aus, schloss die Finger um sein Herz und seine Seele, doch er entriss sich seinen Klauen und schrie aus Leibeskräften vor lauter Freude über sein neu gewonnenes Leben. Er rang nach Atem, und starke Arme setzten ihn auf.
    Als er die Augen öffnete, sah er seine Camel lichterloh brennen.
    »Wetten, das machst du so schnell nicht wieder«, sagte jemand.
     
    Sie war mit den Verwundeten auf einen Lastwagen verfrachtet worden. Schon nach wenigen Meilen über ausgefahrene Straßen waren

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