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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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beiden Vampire, den untüchtigen Ältesten und den grundsoliden Neugeborenen. Ruthven hielt das Staatsruder fest in der Hand, obgleich seine Gegner sich gegen ihn verschworen hatten. Smith-Cumming war ein verlässlicher Mann. Und, Bluttrinker hin oder her, verlässliche Männer waren selten.
    Mycroft hatte viel Gutes aus der Vergangenheit in dieses unsichere
Jahrhundert herübergerettet. Ohne ihn gingen eitle, selbstsüchtige Gecken wie Ruthven oder Croft in ihrem sinnlosen Machtstreben über Leichen.
    »Beauregard, bitte«, flehte der Premierminister.
    Während der Abwesenheit von Croft und dem Diogenes-Club wurde der britische Geheimdienst von einem Schulmeister geleitet, der Chiffreschriften in Abbildungen von Schmetterlingen zu verstecken pflegte. Die Ergebnisse waren entsprechend dürftig.
    »England braucht Sie, Beauregard«, beharrte Ruthven. »Ich brauche Sie.«
    Aber braucht England Lord Ruthven?, dachte Beauregard.
    Er warf einen verstohlenen Blick auf das Foto seiner Frau. Pamela schien ihn zweifelnd anzusehen. Sie hätte ihm geraten, standhaft zu bleiben.
    »Nun gut«, sagte Beauregard. »Ich nehme Ihr Angebot an.«
    Smith-Cumming klopfte ihm auf den Rücken. Ruthven gönnte sich ein Lächeln der Erleichterung.
    »Unter bestimmten Bedingungen.«
    »Ich bin mit allem einverstanden«, winkte der Premierminister ab.
    »Wir werden sehen«, meinte Beauregard.

49
Gute Vorsätze
    E he sie ihn ziehen ließ, musste er seine Schuld begleichen. Zu diesem Zweck nahmen sich Kate und Edwin ein Hotelzimmer in Calais. Sie hatten sich geliebt, und nun ließ sie ihn sanft zur Ader. Er schmeckte anders als zuvor. Von seinem roten Durst
war nichts zurückgeblieben. Sein Blut wärmte sie, schenkte ihr neue Kraft.
    Leicht benommen sank Edwin in Halbschlaf, während sie sich zärtlich an ihn schmiegte. Sie war erhitzt, und die Sommersprossen auf ihrer Brust stachen wie Nadelspitzen.
    Sie hatte Anspruch auf ein wenig Liebe. Ihr Leben lang war sie dazu entweder zu schüchtern oder zu beschäftigt gewesen. Diesmal war alles anders. Diesmal hatte sie den Soldaten, eine Weile wenigstens, für sich, auch wenn er danach zu seiner Pfarrerstochter zurückkehren würde. Falls Catriona die Frau war, für die Kate sie hielt, hatte sie nichts dagegen einzuwenden. Sie befanden sich in Frankreich. Sie befanden sich im Krieg. Hier galten andere Regeln.
    Sie ließ die Zunge über ihre Zähne gleiten. Sie war satt, und ihre Hauer hatten sich in den Kiefer zurückgezogen.
    Edwin suchte ihre Nähe, murmelte den falschen Namen. Auch das war sie gewohnt. Jeder Mann, der ihre Nähe suchte, meinte eigentlich eine andere.
    Morgen würden sie den Kanal überqueren. Aber morgen war noch weit. Kate legte den Kopf auf Edwins Brust und presste ihre Lippen auf seinen Hals. Seine Erregung war geweckt. Ihr Haar strich über sein Gesicht. Er nahm sie bei den Hüften und zog sie auf seinen Schoß. Sie begann an seinem Hals zu saugen, biss ihn jedoch nicht.
     
    In England war plötzlich alles anders zwischen ihnen. Edwin schien von einer merkwürdigen Nervosität befallen, die während der Überfahrt beständig zunahm. Schleichende Melancholie ergriff von ihr Besitz. Obgleich sie wusste, was geschehen würde, war sie nur ungenügend darauf vorbereitet.
    In ihren gemeinsamen Nächten hatte er ihr einiges von seiner Zeit beim Geschwader Condor erzählt, insbesondere von seinem
letzten Flug. Obwohl er offiziell keinerlei Ansprüche erhoben hatte, wusste sie, dass er seinen Teil zum Abschuss Manfred von Richthofens beigetragen hatte. Sie versprach ihm hoch und heilig, ihn in ihren Berichten nicht als Helden zu feiern.
    Die vergangenen Wochen konnte ihnen niemand nehmen. Niemand außer ihnen würde je begreifen, wie sie zu solchen Ungeheuern, solchen Bestien hatten werden können.
    Es war eine wunderschöne, mondhelle Frühlingsnacht. Unter anderen Umständen wäre dies ein romantischer Bootsausflug gewesen. Edwin stand gedankenverloren an der Reling und sah nach Frankreich hinüber. Für ihn, für alle Überlebenden kam das europäische Festland einem Friedhof gleich.
    Manchmal verstummte Edwin, und dann wusste sie, dass er in den Abgründen seiner zerrissenen Seele unwiederbringlich Verlorenem nachspürte. Sie hatte keine Ahnung, ob er gebrochen oder nur angeschlagen war. Er wurde von Minute zu Minute distanzierter, kühler. Noch war ein letzter Rest Vampir in ihm, und ein Eismantel umschloss sein Herz. Keiner von ihnen hatte seinen Frieden mit dem Krieg

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