Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
die meisten von ihnen dahin. Kate hatte zwar mehrere Treffer, aber keine Silberkugel abbekommen. Der Matsch an ihren Kleidern war getrocknet, und der steife, schmutzstarrende
Stoff umhüllte sie wie eine Mumie. Ihren erbeuteten Stahlhelm hatte sie verloren.
    Sie war benommen, ihrem Körper merkwürdig entrückt. Ohne weiteres hätte sie in die Finsternis davonflattern und einen lebenden Leichnam hier zurücklassen können. Ob er ohne sie weiterexistieren würde? Vielleicht wurden Vampire auf diese Art und Weise zu hirnlosen, vom Durst getriebenen Ungeheuern?
    Der Knabe in ihren Armen nannte sie Edith. Sie versuchte ihn trotzdem zu trösten. Blut sickerte durch seine Feldverbände, doch sie wollte es nicht trinken. Zum ersten Mal seit ihrer Verwandlung war ihr der Appetit auf Blut vergangen.
    Geneviève hatte ihr einmal gesagt: »Wir Vampire trinken Blut nicht aus Notwendigkeit, sondern zum Vergnügen.« Kate hatte es satt, Geneviève nachzueifern. Es war an der Zeit, sich dem zwanzigsten Jahrhundert zu stellen. Statt die kommenden fünf Wochen damit zu verplempern, ihr Haar von Schmutz und Dreck zu säubern, würde sie es stutzen und zu einem Bubikopf frisieren lassen. Die Schlammmaske, die ihr Gesicht bedeckte, wurde rissig und begann zu bröckeln.
    Der Lastwagen hielt am Straßenrand, um Verstärkungen passieren zu lassen. Britische Tanks rollten donnernd in die Schlacht gegen die deutschen Panzer. Ein Zug milchbärtiger Amerikaner rief dem Leichenwagen im Vorbeifahren ein paar aufmunternde Worte zu und warf Zigarettenpäckchen auf die Ladefläche.
    Obwohl sie keine Zündhölzer hatte, schob Kate sich einen Glimmstängel zwischen die Lippen. Der herbe Geschmack des Virginiatabaks versetzte sie in einen sanften Rausch.
    Da sie im dichten Kampfgetümmel gesteckt hatte, konnte sie nicht wissen, was geschehen war. Die deutsche Offensive hatte die Linien auf breiter Front durchbrochen, und die Alliierten warfen stille Reserven in die Schlacht. Es gab zwei Möglichkeiten. Sie würden den Krieg entweder gewinnen oder verlieren.

    Der Lastwagen verließ die Straße und holperte über ein Feld, ächzte über noch kaum befahrene Bretterroste.
    In einem Wäldchen loderte ein großes Feuer, ein Zeppelin war abgestürzt. Kate reckte den Hals und sah, wie das riesige Rippenskelett des Schiffes in sich zusammenfiel und in einem Flammenmeer versank. Die Hitze riss Ediths jungen Mann aus seinen Fieberträumen, und der Knabe wandte neugierig den Kopf.
     
    »Die ganze Gegend ist ein einziges Inferno«, sagte er.
    In der Zeltstadt am Rande des Flugplatzes tummelten sich etliche Soldaten, Flieger aus vorgeschobenen Stellungen, die ebenfalls den Rückzug angetreten hatten. Winthrop suchte sich ein halbwegs trockenes Fleckchen Gras und ließ sich nieder. Jemand gab ihm eine Zigarette und Feuer. Er wollte wissen, ob außer ihm noch jemand vom Geschwader Condor mit heiler Haut davongekommen war. Alle nickten, doch niemand konnte Namen nennen.
    Die Piloten standen über den Platz verstreut, in verschwitzten Fliegerkluften, mit Rußringen um die Augen. Manche litten stumme Qualen, die meisten waren zu Tode erschöpft. Der stellvertretende Sergeant Chandler, ein Amerikaner in nagelneuem Arbeitszeug der Royal Air Force, hatte die Aufgabe, ein Register der Männer und Maschinen zu erstellen, die ihren Einsatz unbeschadet überstanden hatten.
    »Sind Sie Warmblüter?«, erkundigte er sich bei Winthrop.
    Der dachte kurz nach und bejahte dann.
    »Gratuliere«, sagte Chandler. Im Gegensatz zu den meisten seiner Schäfchen war der Sergeant kein Vampir. »Gratuliere wärmstens.«
    »Ich gehöre zum Geschwader Condor. Haben Sie sonst noch jemanden aus meiner Truppe auf Ihrer Liste?«
    Chandler sah in seinen Papieren nach.

    »Ein Glückspilz namens Bigglesworth, der schon vor Wochen abgeschossen wurde, ist heute Abend hier aufgetaucht. Er hat sich zu Fuß hinter die Linien durchgekämpft.«
    »Grundgütiger!«
    »Sonst niemand. Aber geben Sie die Hoffnung nicht auf. Hier herrscht ein heilloses Durcheinander.«
    Plötzlich brachen die Männer in erstickte Beifallsrufe aus. Eines der Zelte hatte Telefon, und soeben war eine gute Nachricht eingetroffen.
    »Haben wir’s den Schweinehunden heimgezahlt?«, fragte Chandler einen grinsenden jungen Piloten.
    »Nein, viel besser. Richthofen ist tot. Der Abschuss ist amtlich. Die Aussies haben ihn erwischt. Schweres Archie.«
    »Einer von unseren Jungs hätte ihn runterholen sollen«, sagte ein britischer

Weitere Kostenlose Bücher