Die Vampire
schloss sich der Allianz an, auch wenn er dem Grafen nie die Hand schüttelte. Beauregard hingegen hatte das getan und sich von dem grausamen Lächeln des Vampirkönigs abgewandt. Seine persönliche Niederlage, bereitwillig dargebracht, hatte einem größeren Sieg gedient.
Wie gut, dass Geneviève damals in Java gewesen war, fern vom Lauf der Geschichte. Sie hätte alles getan, um Dracula die Kehle herauszureißen.
»In diesem Jahrhundert hat man Vlad Tepes nicht verstanden«, sagte Geneviève. »Man meinte stets, ihn mit Zugeständnissen beschwichtigen zu können. Er war nie ein Politiker wie Lord Ruthven. Er ist ein Mann des Mittelalters, ein Barbar. Sein Thron wurde auf einem Berg von Schädeln errichtet.«
Die Kriege dieses modernen Zeitalters unterschieden sich von denen früherer Jahrhunderte. Zum Teil wegen neuer Waffen,
die einen weltweiten Konflikt nicht nur möglich, sondern unausweichlich machten. Zum Teil wegen des »Wandels«, der Ausbreitung des Vampirismus, die mit Draculas Auftauchen in der westlichen Welt ihren Anfang genommen hatte. Ohne Vampire, da war Beauregard sich sicher, hätte es die Nazis nie gegeben; wenn Dracula überhaupt je einen Thronerben gehabt hatte, dann Hitler. Zwar hatte die Endlösung ebenso dem Geblüt derer von Dracula gegolten wie den Juden, aber Hitler hatte beabsichtigt, sich zu verwandeln, sobald sein Reich total geworden war, um die vollen tausend Jahre zu überdauern. Die Erschaffung einer unsterblichen Herrenrasse durch Wissenschaft und Magie war ein deutsches Projekt, das bis in den Ersten Weltkrieg zurückreichte, und ironischerweise eine Vision, die Dracula und Hitler teilten. Wäre sein Blutgeschlecht nicht von den Nazis als unrein klassifiziert worden, hätte Dracula sich mit ihnen verbündet.
»Man hat ihn zum Verbündeten gemacht«, sagte Geneviève kühl.
Bond zuckte die Schultern. »Stalin war auch unser Verbündeter. Und nach Jalta dann die Inkarnation des Bösen. Für Politik bin ich nicht zuständig, Mademoiselle. Darüber zerbrechen sich klügere Leute als ich den Kopf. Für mich heißt es einfach nur es schaffen oder sterben, vorzugsweise Ersteres.«
»Wie man sieht, sind Sie schon einmal gestorben.«
»Natürlich. Sie wissen doch, wie man sagt …«
»Nein. Was denn?«
»Man lebt nur zweimal.«
Geneviève stand auf, eine Hand auf Beauregards Schulter. Er war ihre letzte Fessel, dessen war er sich bewusst. Wenn er nicht mehr war, wozu würde sie sich dann hinreißen lassen?
»Bitte verzeihen Sie, dass ich es ohne Umschweife sage, Commander«, erklärte sie. »Aber manche von uns haben wenig Zeit. Was genau wollen Sie hier in Erfahrung bringen?«
Der Spion konnte keine offene Antwort geben. Winthrop dachte nach wie vor im Zickzack, und sein Agent wusste vielleicht gar nicht, worum es bei seiner Mission ging.
»Ich schreibe einen Bericht über die königliche Verlobung.«
»Dann sind Sie wohl ein Klatschkolumnist?«
Bond lächelte, entblößte scharfe Zähne. Mit einem Anflug von Amüsiertheit bemerkte Beauregard, dass der Neugeborene angetan von Geneviève war. Wenn sie es richtig anstellte, hatte sie eine Eroberung zu verzeichnen.
»Dank Beauregard und Leuten seines Schlags wissen wir eine Menge über Dracula«, sagte Bond. »Sie irren sich, wenn Sie denken, wir hätten nie versucht, ihn zu durchschauen. Er steht seit den 1880er-Jahren im Licht der Öffentlichkeit. Wir wissen, wie er denkt. Wir wissen, was er will. Es geht immer nur um Macht. Noch als er warmblütig war, betrachtete er sich als Eroberer. Er hat sein Blutgeschlecht an ein ganzes Heer von Nachkommen weitergegeben. Jedes Mal, wenn er heiratet, soll das seine Sache voranbringen, seine Machtbasis vergrößern.«
Er hörte Edwin Winthrop aus Bonds Worten heraus. Dies war Winthrops Weltsicht. Beauregard konnte sie nicht gerade verwerfen, aber er war während der Zeiten von Hitler, Mussolini und Stalin zu der Erkenntnis gekommen, dass der Graf keinen einzigartigen oder auch nur ungewöhnlichen Typus darstellte. Der kälteste Gedanke, der sich je in ihm breitgemacht hatte, war, dass Dracula am Ende erfolgreich gewesen war. Jedes Land der Erde - Großbritannien nicht ausgenommen - handelte, als würde es vom Vampirkönig regiert.
»Die Prinzessin ist es, über die wir nichts wissen«, fuhr Bond fort und atmete Rauch aus dabei. »Sie taucht mal in Berichten auf und mal nicht und hinterlässt keine deutliche Spur. Was die Zentrale gern wissen möchte, ist Folgendes: Warum Asa Vajda?
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