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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Sie gehört dem Geblüt derer von Javutich an, einer beinahe ausgestorbenen
Brut. Geschichte hat Dracula genug. Was er braucht, wie immer, ist Geografie. Landgüter, einen Thron, eine Feste. Wie die meisten Ältesten«, Bond versenkte seinen Blick in Geneviève, »ist auch il principe enteignet worden und ein Vagabund mit Geld. Ceauşescu wird ihn sicher nicht wieder aufnehmen.«
    Hunderte von transsylvanischen Vampiren, die die Todeslager der Nazis überlebt hatten, waren nach dem Krieg zurück in ihre Heimatländer verbracht und dort prompt von ihren warmblütigen Landsleuten ermordet worden, schändlicherweise unter den Augen der Alliierten. Nicolae Ceauşescu führte nach wie vor eine Ausrottungskampagne gegen Vampire durch, die von ihrer Liebe zur heimatlichen Scholle nicht lassen wollten - die zufälligerweise innerhalb des modernen Rumänien lag. Obwohl er ebenso viel Angst hatte wie seine sämtlichen bäuerlichen Vorfahren, erwählte der Staatspräsident sich Schloss Dracula zum Sommersitz, um seine Überlegenheit zu demonstrieren.
    »Prinzessin Asa ist eine Moldawierin«, sagte Beauregard. »Dracula ist ein Wallache. Ungefähr zwei Drittel aller Vampirältesten weltweit stammen aus dem Hufeisen der Karpaten. Wenn Dracula je wieder weltliche Macht erlangen will, dann muss er dort beginnen, im heutigen Rumänien. Sobald man ein sehr hohes Alter erreicht, wird das Heimatland umso wichtiger.«
    Geneviève drückte seine Schulter.
    »Die Zentrale schätzt das ganz ähnlich ein, Beauregard. Aber für eine dynastische Bindung macht es wenig her. Von Rechts wegen sollte Dracula sich mit einem starken Blutgeschlecht verbinden. Gräfin Elisabeth aus dem Hause der Báthory wäre eine offensichtliche Kandidatin.«
    »Sie ist Lesbierin«, warf Geneviève ein.
    »Es handelt sich nicht um eine Liebesheirat, Mademoiselle Dieudonné. Sie müssen zugeben, dass es ein Abstieg ist. Von der Königin von England zu einer hinterwäldlerischen Giftziege mit
Zweigen in den Haaren und Erde in den Falten ihres Totengewands?«
    »Der Graf hatte schon seine Anwandlungen. Fragen Sie Mrs. Harker.«
    »Wenn es ihm ums Blutgeschlecht geht, Gené, dann überrascht es mich, dass er dir nicht den Hof gemacht hat.«
    Geneviève überlief ein Schauer. »Très amusant, Charles chéri.«
    Bond schüttelte den Kopf. »Er hat irgendetwas vor. Dracula hat noch nie einen Zug gemacht, der ihn nicht in erster Linie auf sein Ziel zuführte. Aber was ist sein Ziel?«
    »Die vollständige und restlose Unterwerfung von allem und jedem«, sagte Geneviève. »Für immer. So, nun kennen Sie sein Geheimnis. Habe ich die Fünfhundert-Francs-Frage gewonnen?«
    Der Spion gab wieder sein schiefes Grinsen zum Besten. Er meinte wohl, Manns genug zu sein, um Geneviève zu bändigen. Beauregard lachte wieder und musste husten. Diesmal war es schlimmer, die reinsten Glassplitter in der Brust. Atmen war Schwerstarbeit.
    »Dieses Gespräch ist beendet«, erklärte Geneviève nachdrücklich.
    Sie kniete sich neben ihn, half ihm zu trinken, presste eine Hand an seine Brust, zwang ihn dazu, am Leben zu bleiben. Sie vergaß, ihre Augen zu verbergen. Er sah, wie sich Rot an den Tränendrüsen sammelte.
    »Nun gut«, gab Bond sich geschlagen. »Wenn ich vielleicht noch einmal wiederkommen dürfte? Falls andere Quellen nichts hergeben sollten?«
    Beauregard versuchte, mit dem Husten aufzuhören. Es gelang ihm nicht.
    »Es wäre mir lieber, wenn Sie das bleiben ließen«, sagte Geneviève.
    Er hätte sich gern gegen sie durchgesetzt, aber die Worte wollten
ihm nicht über die Lippen kommen. Am besten überließ er ihr die Entscheidung.
    »Sie finden sicher allein hinaus«, sagte Geneviève.
    »Selbstverständlich.« Er drückte seine Zigarette aus. »Einen guten Tag Ihnen beiden. Sie können mich im D’Inghilterra erreichen.«
    Er schlüpfte lautlos durch die Balkontür und verließ die Wohnung.
    Beauregard ließ den Krampf sich im eigenen Tempo lösen. Er spuckte, Schaum trat ihm auf die Lippen. Geneviève wischte ihm das Gesicht ab, als wäre sie sein Kindermädchen.
    Wie er es inzwischen kannte, ließ der Schmerz rasch nach. Seine Augen und Ohren waren immer noch scharf, aber seinen Geschmacks- und Geruchssinn hatte er fast vollständig eingebüßt. Nur noch Erinnerungen.
    »Pauvre chéri«, sagte Geneviève.
    Sie schob ihn nach drinnen.
     
    Obwohl er erst seit zehn Jahren in der Via Eudosiana wohnte, war das Apartment mit den Anschaffungen eines Jahrhunderts gefüllt.

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