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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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in einer Bulle die traditionelle Haltung des Vatikans zum Vampirismus unterstrichen. Mit dem Tod entfleuche die Seele, um sich ihren gerechten Lohn abzuholen, und die sterblichen Überreste gelte es mit Anstand zu bestatten. Vampire seien unbewohnte Leichname, dämonische Imitationen derjenigen, die vorher in ihnen gewohnt hätten. Wenn die Exkommunikation mit Glocke, Buch und Kerze versagte, empfahl er eine Behandlung mit Feuer, Silber und Scheiterhaufen. Obwohl es dieser Maßnahme genau genommen gar nicht mehr bedurft hätte, zog doch die Verwandlung automatisch die Exkommunikation nach sich. Andererseits galt für das Wählen der Kommunisten dasselbe, und Palmiro Togliattis Partei räumte regelmäßig ein Viertel der italienischen Wählerstimmen ab.
    Viele Vampire waren extrem fromme Katholiken. Ironischerweise neigten gerade sie dazu, von Weihwasser Brandblasen zu bekommen, von Hostien Blut zu spucken und vor dem Kreuzzeichen zurückzuschrecken. Ungefähr hundert Jahre wogte der theologische Kampf um die Vampirfrage nun schon. Eine wachsende Zahl von Katholiken war der Ansicht, dass in den Untoten tatsächlich noch die ursprünglichen Seelen wohnten und sie darum in den Schoß der Kirche zurückgeholt werden sollten. Es ging das Gerücht, dass der kürzlich gewählte Johannes XXIII. die Nosferatu- Doktrin gern abmildern wolle und kurz davor sei, Vampirpriester
anzuerkennen, aber bis jetzt durch seinen erzkonservativen Sekretär für Äußeres, Monsignor Tardini, davon abgehalten werde.
    »Doch was höre ich da über den scharlachroten Henker und das Hotel D’Inghilterra?«, wagte sie einen Schuss ins Blaue.
    Marcello hob beeindruckt eine Augenbraue. Ihr Zufallstreffer überzeugte ihn davon, dass sie gut informierte Quellen besaß.
    »Jemand, der wie der Mörder gekleidet war, ist dabei gesehen worden, wie er die Front des Hotels hochkletterte. Wie eine große rote Spinne.«
    »Und ist ein Verbrechen begangen worden?«
    Marcello zuckte die Schultern. »Schwer zu sagen. Es gab Ärger im Zimmer eines britischen Marineoffiziers. Er streitet alles ab, was über eine Liebesnacht im Alkoholrausch hinausgeht. Ein Zimmermädchen hat die Information verkauft, dass die Liebesnacht spektakulär und gar nicht schön gewesen sein dürfte. Von Blut ist die Rede, von einem Pistolenschuss. Dieser Brite ist ein Vampir. Ach, und jeder weiß, dass er für Ihr Land spioniert. Sein Automobil ist viel zu protzig für einen Matrosen.«
    »Nicht für mein Land. Ich bin keine Engländerin.«
    Marcello zuckte erneut die Schultern, was in ihr den Wunsch auslöste, seine Sonnenbrille zu zerbrechen.
    »War ein Ältester beteiligt?«
    »Das ist die Frage. Eine Frau, die im Hotel logierte, ist verschwunden, als hätte sie sich in Rauch aufgelöst. Sie hatte sich unter einem falschen Namen eingetragen, war aber zweifelsfrei Lady Anibas Vajda. Eine Verwandte von Prinzessin Asa, der königlichen Verlobten. Eine Vampirälteste.«
    Kate hatte vage von der Frau gehört. Nichts Gutes.
    »Und sie ist noch nicht ermordet aufgetaucht?«
    »Bis jetzt nicht. Aber es gibt Gerüchte. Die Uralten hinterlassen manchmal keine nennenswerten Überreste. Sehr zum Missfallen der Gerichtsmediziner.«

    »Soweit ich weiß, ist Inspektor Silvestri hinzugezogen worden.«
    Marcello nickte. »Er ist der jüngste Verantwortliche für die Mordsache Scharlachroter Henker. Drei anderen Kommissaren ist der Fall schon entzogen worden, teilweise mit Degradierung. Silvestri muss aufpassen. Letztes Jahr ist unter gewaltigem Presserummel ein Inspektor der Sûreté, der als Spürhund gilt, herübergeholt worden. Er schwor mit bizarrem Akzent, den Straftäter binnen eines Monats zu fassen, und legte dann eine Bauchlandung nach der anderen hin. Heute regelt er wohl in einem üblen Pariser Stadtviertel den Verkehr.«
    »Das ist alles sehr interessant«, sagte Vater Merrin und stand auf, »aber ich muss euch junge Leute jetzt allein lassen. Ich bin mir sicher, dass Sie zu einer befriedigenden und aufregenden Lösung dieser Geschichte kommen werden. Schließlich lassen sich die Antworten auf solche Rätsel oft unter den Sohlen unserer Schuhe finden.«
    Marcello und Kate standen aus Respekt auf, und der Priester ging mit flatternden Gewändern davon. Sie sah ihn durch die Menge schreiten, ein einsamer Asket unter Lüstlingen. Hinter seinem messerscharfen, logischen Verstand verbarg sich eine nicht unfreundliche Seele, fand sie. Aber der Frage zu heimlichen Kreuzzügen war er geschickt

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