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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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nickte, im Schlaf vielleicht, und manchmal die Aussicht betrachtete. Im Diogenes-Club war der alte Herr eine Legende. Jüngere Agenten, die während des Krieges zur Truppe gestoßen waren, tendierten dazu, auf Durchzug zu schalten, wenn alte Knochen aus Edwin Winthrops Generation die Heldentaten von Charles Beauregard besangen, dem Mann, der Dracula in seinem Versteck gegenübergetreten war und überlebt hatte. Nachdem Bond den Burschen kennengelernt hatte, verstand er allmählich, warum sie so viel Wind machten.
    Er blieb stehen und zündete sich eine Zigarette an, merkte sich die Positionen seiner Schatten.
    Der Größte war ein Riese und maß mehr als zwei Meter zehn; an seinen Füßen steckten Stiefel, mit denen man Straßen planieren konnte. Sein Teint war grünlich grau, keine gesunde Gesichtsfarbe. Die übergroße Melone auf seinem flachen Schädel beschattete wässrige Augen mit schweren Lidern. Wenn er seine dünnen schwarzen Lippen zu einer Art Lächeln dehnte, blitzten Stahlzähne auf. Der Kragen seines schwarzen Dufflecoats spannte sich um seinen Hals, hier und da lugten beulenartige Geschwüre hervor. Er bewegte sich langsam, schwerfällig, und seine langen, narbenübersäten
Hände wirkten an ihm spindeldürr. Aber das täuschte. Er würde nicht leicht zu töten sein.
    Der andere Große - Bond nahm jedenfalls an, dass es sich um einen Menschen handelte - war breiter und steckte in einem lehmfleckigen Mantel. Seine Beine waren wie steife Baumstümpfe; das aufgedunsene Gesicht hatte die braune Farbe von frisch geschaufeltem Schlamm. Auf einem Kopf von der Form eines Plumpuddings saß eine seltsame Perücke, irgendwo zwischen einem Pagenkopf und einem umgedrehten Blumentopf. Ein Davidstern baumelte vor seiner Brust, zur Abwehr von Vampiren wahrscheinlich.
    Soweit er wusste, waren es keine Untoten, aber lebendig wirkten sie auch nicht gerade.
    Immerhin trampelten sie erfreulich auffällig durch das Gelände. Sie hatten sich ein paar Straßen vom D’Inghilterra entfernt an ihn gehängt und waren ihm den ganzen Nachmittag lang hinterhergetrottet, bis in den Abend hinein. Ihr planloses Herumlungern, sobald er stehen blieb, war eine ganz schlechte Leistung.
    Der dritte Schatten war am interessantesten, eine Ballerina mit langem Hals, weißem Puppengesicht und Porzellanarmen. Sie schwebte auf ihren Zehenspitzen dahin, wie die Versprengte einer Commedia-dell’Arte-Truppe, mit leicht angeschmutzten Röcken. Bei ihr war er sich zunächst nicht sicher gewesen, aber sie bildete definitiv ein Dreieck mit den anderen.
    Ein Dreierteam deutete auf etwas Ernstes hin. Wenn er nur hätte beschattet werden sollen, wären weniger auffällige Agenten eingesetzt worden. Und wenn man auf seinen Tod aus war, hätte das ein Heckenschütze mit einer Silberkugel erledigen können. Bedachte man, wie oft die andere Seite schon seinen richtigen Tod in Auftrag gegeben hatte, dann war es verblüffend, dass sie noch keine hochkarätige ostdeutsche Sportschützin damit beauftragt hatten, ihn sauber aus dem Weg zu räumen. Immer kamen
sie ihm mit so einem Unfug wie Spinnen unter der Bettdecke oder bizarren Schlägertypen. Wie diese hier.
    Er verließ den Park und sah zu Beauregards Balkon hinauf. Der alte Herr erkannte ihn sofort und ließ etwas über die Brüstung fallen. Bond fing es instinktiv auf. Seine Hand schloss sich um ein Schlüsselbund. Er wurde nach oben eingeladen.
    Er nahm an, dass Beauregards vampirische Gefährtin nicht zu Hause war. Was wohl nur gut war. Diese Dieudonné hatte nicht viel für ihn übrig. Was eine Schande war, denn sie war interessant mit ihren atemberaubenden Augen und der elektrisierenden Anmut. In ihrem geschmeidigen Körper brannte ein leidenschaftlicher Geist. Es wäre eine interessante Herausforderung, Geist und Körper zugleich seinem Willen zu beugen, die Leidenschaft von Jahrhunderten zu entfesseln und sie mit seiner eigenen unstillbaren Gier zusammenzubringen.
    Auf der Treppe des Wohnhauses blieb er stehen und sah sich um. Seine drei Schatten kamen näher, sie schritten oder trippelten durch den flachen Nebel des Parks.
    Das Gewicht seiner Walther unter der Armbeuge war ein beruhigendes Gefühl. Was das auch für Gestalten waren, ein oder zwei Silberkugeln in den Kopf oder ins Herz sollten schon mit ihnen fertigwerden. Er hoffte, dass es nicht dazu kam. Eine Lizenz zum Töten war schön und gut, aber jedes Mal, wenn er von ihr Gebrauch machte, musste er anschließend Formulare in dreifacher

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