Die Vampire
Seine Freunde verspotteten ihn für seine ungenügende Leistung, schlugen ihn mit den Handballen. Die nächste junge Frau kam in Sichtweite, sie orientierte sich mehr an Elsa Martinelli. Der Hypnotiseur gewann sein vorübergehend erschüttertes Selbstvertrauen wieder und machte sich erneut an die Beeinflussung.
Kate ging weiter.
Zwei Nächte nach der Tat schien Malenkas Ermordung die Stimmung auf der Via Veneto nicht weiter zu beeinträchtigen. Die Cafés waren voll und die Paparazzi weiter hinter berühmten Gesichtern her. Kate musste über Hemingway hinwegtreten, der etwas
zu ihr heraufknurrte. Ihr war nicht danach, Papa daran zu erinnern, dass sie einander vom Ersten Weltkrieg her kannten, als er noch nicht alt und dauerbetrunken und berühmt, sondern beinahe ein richtig guter Schriftsteller gewesen war.
Marcello war nicht im Café Strega, aber sie fand einen Tisch, an dem sich drei Reporter um eine Rechnung stritten. Sie taten so, als verstünden sie Kates Italienisch oder Englisch nicht, also bezahlte sie die Rechung und erkaufte sich so ihre Aufmerksamkeit. Nach ausführlichen Entschuldigungen erklärte ein knopfnasiger französischer Journalist, dessen steife Stirnlocke abstand wie ein Sägespan, dass er wüsste, wen sie meinte, und schickte sie in ein anderes Café weiter, das Zeppa.
Eine muskulöse Gestalt kam die Straßenmitte herabgeschlendert. Kate fuhr zusammen. Die breiten Schultern und die gewölbte Brust erinnerten sie an den scharlachroten Henker. Dieser Kerl hatte einen Krausbart. Er trug die klassische gegürtete Tunika der Alten Welt und Sandalen. Vielleicht handelte es sich um einen Schauspieler, der nach einem harten Tag des Ringens mit Pappmascheeschlangen und vollbusigen Filmsternchen in Cinecittà in Arbeitskleidung nach Hause ging.
»Das ist Maciste«, erklärte eine alte Frau auf Englisch. »Roms großer Held. Wann immer die Stadt ihn braucht, erscheint er. Er ist der Bote der Götter.«
Kate hatte immer gedacht, dass das Hermes wäre.
Maciste spazierte im Heldengang vorbei. Seine Muskeln an Rücken und Schenkeln spannten und entspannten sich.
Ihr fiel wieder der Griff um ihren Nacken ein. Der scharlachrote Henker hätte sie mit einem Zudrücken enthaupten können.
Im Zeppa fand sie Marcello tatsächlich. Er saß draußen an einem Tisch, zusammen mit einem hageren, asketisch gewandeten Priester, den er als Vater Lankester Merrin vorstellte.
»Und das, Vater, ist … Entschuldigen Sie bitte, aber Ihr Name ist mir …«
»Kate Reed«, sagte sie tief getroffen.
»Ja, natürlich. Signorina Reed.«
Obwohl keine Einladung ausgesprochen wurde, zog sie einen Stuhl von einem anderen Tisch heran und setzte sich dazu.
»Ich habe Ihr Buch über afrikanische Religion gelesen«, behauptete sie, an den Priester gewandt. »Sehr provokant.«
Der Priester lächelte dünn. Er hatte einen durchdringenden Blick. Eine weitere Lüge riskierte sie besser nicht.
Ein Kellner brachte ihr ein Glas eisgekühltes Eidechsenblut.
»Sind Sie die Reporterin, die bei der Vernichtung dieser Ältesten dabei war, Graf Kernassy und Malenka?«, fragte Merrin.
Sie bejahte.
»Marcello hat mich gerade in einer damit zusammenhängenden Sache konsultiert, und nun kommen Sie vorbeispaziert. Die Vorsehung hat so ihre Art, solche Dinge zu arrangieren, Miss Reed.«
»Sagen Sie Kate zu mir.«
»Vielen Dank, Kate. Sie können Vater Merrin zu mir sagen.«
Sie wusste nicht recht, ob es scherzhaft gemeint war.
Sie erinnerte sich aus den Besprechungen seines Buches nicht mehr, welche Seite Vater Merrin in der Vampirdebatte einnahm. Es wäre unhöflich gewesen, ihn direkt zu fragen, ob er ihr eine Seele zubilligte oder nicht.
»Marcello war gerade dabei, mir mit höflichen Worten vorzuwerfen, dass ich an einem heimlichen Kreuzzug gegen Ihre Art teilnehme, Miss Reed.«
Marcello zuckte die Schultern und versuchte den Vorwurf mit einer Handbewegung abzutun.
»In Rom glauben alle an heimliche Kreuzzüge«, fuhr Merrin fort. »Wenn nicht der Vatikan dahintersteckt, dann eben die Mafia
oder die Kommunisten oder der Si-Fan oder die CIA oder der Diogenes-Club oder die Illuminati.«
»Glauben Sie das auch, Vater?«
»Glaube ist relativ. In Rom geht es seit jeher unübersichtlich zu.«
Marcello steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an. Er verstand sich auf kleine, beredte Gesten.
Der letzte Papst, Pius XII. - ein zweiter Savonarola oder Torquemada, je nachdem, mit wem man sich unterhielt -, hatte
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