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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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an mir rieb, ihre Hüfte an mich drückte, die Hände über meine Schultern, meinen Rücken gleiten ließ.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ihr Pech, Sir.«
    Sie trat zurück. In meinen Schläfen hämmerte das Blut, und mein Herz raste wie der Gewinner des Wessex Cup. Die Gegenwart dieser Kreatur verursachte mir Übelkeit. Hätte das Skalpell in meiner Tasche gesteckt, so hätte ich ihr gewiss das Herz aus der Brust gerissen. Doch andere Gefühle bemächtigten sich meiner. Sie sah so sehr wie jene Lucy aus, die mich in meinen Träumen heimsucht. Ich wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Krächzen heraus. Die Kelly verstand. Sie hatte offenbar Erfahrung. Der Blutsauger wandte sich lächelnd um und schlich abermals an meine Seite.
    »Darf es vielleicht was anderes sein, Sir?«
    Auf mein Nicken begann sie, mir die Kleider zu lösen. Sie zog meine Hand aus der Tasche und bedauerte mich wegen meiner Wunde. Voller Zartgefühl kratzte sie den Schorf herunter und leckte mit wollüstigem Schaudern. Zitternd blickte ich mich um.
    »Hier wird uns schon niemand stören, Doktor, Sir …«
    »Jack«, stieß ich hervor.
    »Jack«, sagte sie, vom Klang des Wortes angetan. »Ein schöner Name.«
    Sie raffte ihre Röcke bis über die Strümpfe hoch, band sie um ihre Taille, sank auf die Erde nieder und brachte sich in Stellung, mich zu empfangen. Sie sah aus wie Lucy. Genau wie Lucy. Ich
blickte eine kleine Ewigkeit auf sie hinab und hörte Lucys Stimme rufen. Das Herz wollte mir vor Schmerz zerspringen. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, stürzte mich auf die Dirne, öffnete meine Kleider und spießte sie regelrecht auf. In der Flur vor Lucys Grab begattete ich die Kreatur, das Gesicht mit Tränen überströmt, ein gräuliches Brennen im Leib. Ihr Fleisch war kalt und weiß. Sie drängte mich, mich zu verströmen, half mir beinahe wie eine säugende Mutter ihrem Kind. Nachher nahm sie mich nass in ihren Mund und ließ mich - mit exquisiter, peinigender Vorsicht - ein wenig zur Ader. Es war sonderbarer noch als Morphium, eine Ahnung von bunt schillerndem Tod. In Sekundenschnelle war es vorüber, doch schien der Akt der Vereinigung mit dem Vampir sich im Gedächtnis über Stunden hinzuziehen. Fast regte sich in mir der Wunsch, mit meinem Samen möge auch das Leben aus mir weichen.
    Während ich meine Kleider zuknöpfte, wandte sie den Blick beinahe bescheiden ab. Ich spürte die Macht, die sie nun über mich besaß, die Macht der Bezauberung, die sich ein Vampir über sein Opfer verschafft. Ich bot ihr Geld, doch mein Blut war ihr genug. Sie sah mich zärtlich, mitleidsvoll beinahe an, ehe sie mich verließ. Ach, hätte ich doch das Skalpell bei mir gehabt.
    Ehe ich daranging, diesen Eintrag vorzunehmen, besprach ich mich mit Geneviève und Druitt. Sie müssen die Nachtschicht übernehmen. Wir sind zu einem Privatlazarett geworden, und ich will, dass Geneviève - die eine bessere Ärztin ist, als ich sie mir jemals wünschen könnte, obgleich ihr zur Ausübung der Arzneikunst eigentlich die Befugnis fehlt - hier ist, wenn ich fort bin. Insbesondere die kleine Lily Mylett hat es ihr angetan. Ich fürchte, Lily wird das Wochenende nicht überstehen.
    Die Fahrt zurück nach Kingstead ist nur mehr eine nebelhafte Erinnerung. Ich saß in einem Omnibus und schaukelte im Rhythmus des Fuhrwerks, während mir immer wieder alles vor
den Augen verschwamm. In Korea beredete mich Quincey in Experimentierlaune, eine Opiumpfeife zu versuchen. Es war eine ähnliche, doch weitaus sinnlichere Empfindung. Eine jede Weibsperson, die ich erblickte, vom hüpfenden goldhaarigen Kind bis hin zur altersgrauen Krankenwärterin, begehrte ich auf vage, unbestimmte Weise. Zwar war ich gewiss zu erschöpft, meinem Begehren nachzugeben, dennoch quälte es mich, als krabbelten winzige, fressgierige Ameisen über meine Haut.
    Nun bin ich zitterig, nervös. Das Morphium hat mir viel zu wenig Erleichterung verschafft. Seit der letzten Entbindung ist schon zu viel Zeit verstrichen. In Whitechapel ist es gefährlicher geworden. Allerorten kreuchen sie umher, wähnen Silver Knife in jedem Winkel. Mein Skalpell liegt auf dem Schreibtisch, schimmerndes Silber. Blank wie ein Spiegel. Man sagt, ich sei verrückt. Man begreift nicht, was meine Absicht ist.
    Wie ich von Kingstead zurückkehrte, konnte ich in meinem Taumel nicht umhin, mir etwas einzugestehen. Wenn ich von Lucy träume, dann nicht von jenem warmblütigen Mädchen, das ich liebte. Wenn ich von Lucy träume,

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