Die Vampire
wie sie so gescheite Mienen aufsetzen und erzählen, sie wären auf der rechten Spur …‹«
»Kluger Junge«, sagte D’Onston. »Da rückt er Lestrade und Abberline aber gehörig den Kopf zurecht.«
Alle gemahnten den Störenfried zur Ruhe.
»›Der Witz von wegen Silver Knife hat mir einen wahrhaften Lachkrampf eingetragen. Ich geh auf Blutsauger los und werd so lang welche aufschlitzen, bis ich ins Kittchen wandere. Die Letzte ist mir wirklich prächtig geraten. Ich hab der Dame nicht mal Zeit zum Schreien gelassen. Wie könnten sie mich da schnappen. Ich tu meine Arbeit gern und will wieder damit anfangen. Sie werden bald mehr von mir und meinen drolligen Spielchen hören.‹«
»Entarteter Abschaum«, platzte D’Onston heraus. Beauregard konnte nicht anders, als ihm beizupflichten.
»›Beim letzten Mal hab ich was von dem echten roten Zeug in einer Ingwerbierflasche aufgefangen, um damit zu schreiben, aber es wurde dick wie Leim und ich kanns nicht benutzen. Rote Tinte tuts hoffentlich auch. Haha. Beim nächsten Mal werd ich der Dame die Ohren abschneiden und sie den Polypen schicken, nur so aus Jux und Dollerei …‹«
»Nur so aus Jux und Dollerei? Soll das ein Witz sein?«
»Unser Mann ist ein Komiker«, sagte LeQueux. »Ein zweiter Grimaldi.«
»›Halten Sie diesen Brief zurück, bis ich wieder an die Arbeit gehe, dann geben Sie ihn schnell heraus.‹«
»Klingt ganz nach meinem Redakteur«, meinte der Amerikaner.
»›Mein Messer ist so hübsch scharf und silbrig, dass ich gleich wieder an die Arbeit gehen will, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Viel Glück.‹ Und, wie Reed schon sagte: ›Ganz der Ihrige, Jack the Ripper. Es wird wohl recht sein, wenn ich Ihnen meinen Künstlernamen nenne.‹ Sowie ein zweites Postskriptum. ›Ich konnte den Brief nicht eher zur Post geben, weil ich mir erst die ganze rote Tinte von den Händen waschen musste, zum Teufel damit. Bisher kein Glück. Jetzt heißt es plötzlich, ich wär Arzt, haha.‹«
»Haha«, sagte ein zorniger alter Mann vom Star. »Von wegen haha. Dem gäbe ich ordentlich Haha, wenn er hier wäre.«
»Woher wissen wir eigentlich, dass er keiner von uns ist?«, fragte D’Onston augenrollend und wischte sich den Schnurrbart wie ein Schurke im Melodram.
Ned kehrte mit Lestrade und zwei Constables zurück, die schnauften, als sei statt einer bloßen Mitteilung der Mörder höchstpersönlich im Café de Paris eingetroffen.
Beauregard reichte dem Inspektor den Brief. Während er las und sich seine Lippen stumm bewegten, debattierten die Journalisten aufgeregt.
»Nichts weiter als ein schlechter Scherz«, meinte jemand. »Irgendein Possenreißer, der uns einen Streich zu spielen versucht.«
»Ich glaube, er ist echt«, hielt Kate dagegen. »Es ist etwas Schauriges daran, das mir authentisch zu sein scheint. All diese scheinheiligen Scherze. Er trieft nachgerade vor perverser Freude. Als ich ihn öffnete, ja noch bevor ich ihn gelesen hatte, verspürte ich ein dunkles Gefühl von Bosheit, Einsamkeit, ja Zielbewusstheit.«
»Wie dem auch sei«, sagte der Amerikaner. »Es ist eine Nachricht. Und niemand wird uns daran hindern können, sie zu drucken.«
Lestrade hob die Hand, als wolle er etwas einwenden, ließ sie jedoch wieder sinken, noch ehe er den Mund aufgetan hatte.
»Jack the Ripper, ha«, stieß Reed hervor. »Wir hätten es selbst nicht besser treffen können. Das alte Silver-Knife-Alias war ihm offenbar nicht gut genug. Endlich haben wir einen anständigen Namen für den Kerl.«
21
In memoriam
29. SEPTEMBER
H eute begab ich mich auf den Friedhof von Kingstead, um wie in jedem Jahr ein Blumengebinde niederzulegen. Lilien, was sonst? Seit Lucys Vernichtung sind auf den Tag genau drei Jahre vergangen. Das Grab trägt das Datum ihres ersten Todes, und ich allein - so glaubte ich wenigstens - entsinne mich des Tages, an dem Van Helsing seinen Kreuzzug antrat. Es steht schwerlich zu erwarten, dass der Prinzgemahl ihn zu einem staatlichen Feiertag ausrufen wird.
Als ich vor kaum drei Jahren aus den Wäldern kam, fand ich das Land verwandelt vor. Auf Monate hinaus, in deren Verlauf der Graf in seine gegenwärtige Position aufstieg, rechnete ich in jedem Augenblick damit, niedergestreckt zu werden. Zweifellos würde der Eindringling, der sich so sehr an der öffentlichen Hinrichtung Van Helsings hatte ergötzen können, nun auch seine Klaue nach mir ausstrecken und mich zerschmettern. Am Ende, als meine Furcht nur mehr
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