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Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig

Titel: Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lewis Harris
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Kapitel

    Hast du mal jemanden getroffen, der sich für rundum klasse hält? Für den Mittelpunkt des Universums? Einen, der nie Zweifel zu haben scheint? Der so handelt, als hätte er immer recht (obwohl er fast immer falsch liegt!)? Der sich für den Allerschönsten hält (was er kaum ist) und für den Klügsten (von wegen!). Einen, der dich total auf die Palme bringt - schon dadurch, dass er atmet?
    Was macht man mit so jemandem? Ich habe gelesen, was man an anderen auszusetzen hat, sei eigentlich das, was man an sich selbst zu verbessern wünscht. Diesen Gedanken würde ich natürlich nicht einfach so verwerfen. Ich erforsche nämlich die Grundzüge des Menschseins. Mir ist klar, dass sich an meinen sozialen Fähigkeiten viel verbessern lässt, und ich bin weit davon entfernt, vollkommen zu sein. Aber wenn ich in der Nähe eines Mädchens wie Sandy Cross bin, will ich ihr einfach nur eine tunken.

    Nach der Schule schloss ich mein Fahrrad vom Ständer. Sandy und ihre Anhängsel waren auch da.
    »Warum ziehst du dich an wie für eine Beerdigung?«, fragte Sandy über die Fahrradständer hinweg, und ihr möchtegernschlauer Mund kämpfte dabei mit mindestens drei zuckrig-klebrigen Kaugummis.
    Ist es ein Verbrechen, Schwarz zu tragen? Was war daran so besonders? Ich mag Schwarz! Es macht schlank.
    Madison zog klappernd die Kette weg, mit der sie ihr Rad mit denen von Sandy und Marsha zusammengeschlossen hatte, und stichelte: »Sie läuft rum, als wäre sie die Leiche.«
    »Du weißt schon, dass das kein Goth-Style ist, oder?«, fragte Marsha und musterte mich kritisch von oben bis unten. »Dafür hast du zu wenig Make-up im Gesicht. Du musst klobigere Stiefel tragen und Armbänder mit Metallnieten - vielleicht auch ein Halsband. Und einen fetten schwarzen Gürtel brauchst du auch. Und mehr Silber.«
    »Nein«, widersprach Madison. »Das ist Metal.«
    »Das ist Gothic.«
    »Womit wir sagen wollen«, warf Sandy ein, blies ihr Kaugummi zu einer rosa Blase auf und ließ sie platzen, »dass du Hilfe brauchst.«
    Konnten die drei das wirklich ernst meinen? Ich nahm das Bügelschloss von meinem Fahrrad und warf
es mit meiner Schultasche in den vorderen Korb. Was konnte ich diesen Tussis antworten? »Ihr tragt alle die gleichen Ohrringe«, stellte ich fest. Hielten sie das für cool? Ließen sie sich von ihren Eltern anziehen? »Ihr habt rosa Plastikkäfer an den Ohren baumeln.«
    »Wir wollen uns nicht mit dir streiten, ja?«, sagte Sandy. »Und schlechtmachen wollen wir dich auch nicht.« Sie strich sich eine blonde Strähne aus dem Mundwinkel und mampfte weiter auf ihrem Kaugummi herum. Schmatz. Schmatz. Schmatz.
    »Also lächle, Metal-Fan«, riet mir Madison.
    »Und entspann dich«, ergänzte Marsha.
    Die beiden Bohnenstangen schoben ihre Räder zum Gehweg.
    Sandy kam mit ihrem Rad um den Ständer herum zu mir. »Wir würden nicht mal mit dir reden, wenn wir dich nicht für in Ordnung hielten, weißt du?«
    Eine aalglatte Wendung, und gleich war ich die Idiotin. Und wenn schon. Eigentlich wollte ich sowieso nur in Ruhe gelassen werden. »Mir egal«, sagte ich.
    »Wenn du mit uns ins Einkaufszentrum gehen möchtest, bist du eingeladen«, sagte sie unverhofft, und über ihrem linken Auge wölbte sich eine aufwendig gestylte und gezupfte Braue. »Du kannst am Wochenende sogar mit uns aufs Frühlingsfest gehen - wenn du dafür nicht zu cool bist. Was meinst du, Stephanie?«

    Eine Herausforderung.
    Stephanie.
    »So heiße ich nicht«, flüsterte ich.
    »Würde Svetlana denn gern aufs Frühlingsfest gehen?«
    Marsha und Madison warteten mit vor der Brust verschränkten knochendürren Armen auf dem Gehweg und lehnten an ihren Fahrrädern.
    Gut.
    »Nein, danke«, erwiderte ich. Irgendwie war die Idee zwar nicht ganz reizlos, aber was konnte ich mit diesen Barbie-Klonen schon anfangen? Mir Klamotten ansehen? Ich hatte sowieso kein Geld.
    »Wenn du den einsamen Wolf spielen willst, ist das deine Sache«, sagte Sandy achselzuckend und schob ihr Fahrrad weg. »Aber du bist langsam aus dem Alter raus, um in einem Baumhaus zu spielen, und mein Trampolin kannst du jetzt auch nicht mehr beobachten.«
    Die Mädchen stiegen auf ihre Räder. Eine von den Zwillingen - ich konnte nicht erkennen, welche - rief: »Bis später, du lahme Ente!«
    Sandy lachte, warf ihren strohblonden Haarschopf zurück und rief beim Wegradeln: »Bis morgen, Stephanie!«
    Aber da hatte sie sich ganz und gar getäuscht.

Achtes Kapitel

    Niemand dachte sich viel

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