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Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig

Titel: Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lewis Harris
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denn? Durch parapsychologische Superkräfte?«
    »Nein«, flunkerte ich, »durch ein ungutes Gefühl« - und zwar eins, das einem bis ins Mark drang.
    Durch die Bäume hindurch war mitunter der Fluss zu sehen, dem sich die Staubstraße immer mehr näherte. Vögel zwitscherten und flatterten in den Ästen, die sich über dem Weg da und dort zu einem Laubdach schlossen. Ringsum lag alles im Schatten. Das Sonnenlicht wurde immer schwächer, als der Weg sich verengte und der Wald dichter heranrückte.
    »Lass uns morgen nach der Schule wieder herkommen«, schlug Foote vor, den die zunehmende Dämmerung nervös machte.
    Der Tag schien plötzlich zu versickern, das Licht abgesaugt zu werden. Schweiß durchnässte mein Hemd an den Stellen, wo der Rucksack auflag. Fumios Kette quietschte. Speichen ächzten. Räder knirschten an geschotterten Stellen und glitten dann wieder lautlos durch den Sand. Vor uns machte der
Weg eine Biegung und verschwand außer Sicht. Zwischen den Bäumen erkannte ich den Umriss eines einzelnen Hauses.
    Wir stiegen vom Rad, standen am Wegrand und spähten schweigend in den Wald. Mir wurde das Rauschen des Flusses bewusst, der hinter der Kurve strömte. Ansonsten war nur unser Atmen zu hören. Vögel sangen hier keine mehr. Das Laub hing reglos da. Ich schob mein Rad weiter.
    »He, hier ist die Straße zu Ende«, flüsterte Foote.
    Ich sah mich um, und er winkte mich zurück. Seine blinzelnden Augen wirkten jetzt nicht blau - die Dämmerung ließ sie grau aussehen. Heute trug er den Arm nicht mehr in einer Schulterschlinge, doch der Gips reichte ihm noch immer vom Ellbogen bis zu den Fingern. Ich erkannte schwarze Filzstiftkritzeleien, mit denen Freunde sich darauf verewigt hatten. Er hatte auch mich um eine Unterschrift gebeten, doch dafür war ich zu cool. Inzwischen kam es mir gar nicht mehr als Zumutung vor. Ich hätte mich nicht so anstellen sollen. »Ihr wartet hier«, flüsterte ich zurück.
    Fumio zischte mir zu: »Geh nicht!«
    Ich schob das Fahrrad in die Büsche, legte es hin und blieb gar nicht erst stehen, um nachzudenken, denn mir war klar: Wenn ich das täte, würde ich kneifen. Gebückt bewegte ich mich über welkes Laub und
Äste und sah das Haus größer werden, während ich mich durchs Unterholz anschlich. Nun war auch zu sehen, wo der Sandweg abbog und vor dem zweigeschossigen Gebäude endete, dem letzten Haus der Sackgasse. Es schien wie geschaffen dafür, dass sich darin etwas Böses zutrug.
    Das Haus war verwittert. Trotz seiner Größe schien es nach hinten zu kippen, als könnte es zwischen den Bäumen durch in den Fluss rutschen. Daneben befand sich eine Garage für zwei Autos. Hinterm Haus sah die Ecke einer großen Veranda hervor, und gleich danach senkte sich das Gelände zum beschatteten Fluss und einem klapprigen Steg hinab, der auf Pfählen ins Wasser führte. Ich schlich vorwärts, blieb am Rand des heruntergekommenen Gartens stehen und zuckte zusammen, als ein dorniger Brombeerzweig mir über die Wange kratzte. Ich kniete im Unterholz nieder, stützte die Fingerknöchel in den Staub und beobachtete die Szenerie.
    Ich roch die Verwesung. Es hätte eine arme Beutelratte sein können oder ein einsamer Waschbär, ein müdes Tier, das sich zum Sterben hierher zurückgezogen hatte, doch dem war nicht so. Das war ihr Ort - der Schlupfwinkel des Kensington-Vampirs. Miss Larchs dunkles Domizil. Diana Frosts Burg der Verzweiflung. Du weißt, was ich meine. Für mich gab es daran keinen Zweifel. Ein runder Klopfer in der
Mitte der Haustür spähte wie ein wachsames Auge in den Wald. Vor den Fenstern hingen dunkle Vorhänge. Eine schimmelige Plane bedeckte ein neben dem Haus abgestelltes Fahrzeug. Durstige Pflanzen welkten halbtot in Töpfen, die die vordere Terrasse und den Weg zur Haustür einfassten.
    Und jetzt? Ich setzte den Rucksack ab. Ob die Haustür offen war? Vermutlich nicht, aber das würde ich erst wissen, wenn ich nachschauen ging. Vielleicht sollte ich es zunächst mit einem Fenster probieren? Das wäre besser - erst mal ums Haus schleichen und gucken, ob ich hineinlinsen konnte. Vielleicht ließ sich ja eine Scheibe hochschieben und ich konnte hineinschlüpfen. Das Gebäude wirkte leer und kam mir auch so vor. Nur der Verwesungsgestank verriet mir, dass Sylvia Larch dort lebte.
    Ob die vermissten Mädchen im Haus waren? Einfach hinter den Mauern dort, nur wenige Meter entfernt? Und was würde ich tun, falls Larch doch da war? Ich musterte die staubigen Fenster

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