Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig
über der Garagentür. Sie waren zu hoch, um hindurchzuspähen, doch ich konnte eine Topfpflanze umdrehen und mich draufstellen. Falls ihr Wagen in der Garage stand, war sie zu Hause. Das Auto unter der Plane gehörte ihr offenbar nicht. Das verschimmelte Plastik war mit welkem Laub übersät, der Wagen darunter war offenbar seit einiger Zeit nicht mehr benutzt worden.
Ich hetzte gebückt über den halbdunklen Hof und hielt dabei meinen Rucksack in den Händen. Dann drückte ich mich ans Garagentor, als balancierte ich über ein schmales Sims, und spähte zurück in den Wald, konnte Fumio und Foote aber nicht entdecken. Wahrscheinlich waren sie davongelaufen - diese Feiglinge! Doch ich brauchte sie sowieso nicht. Aber halt, da waren sie ja. Jetzt sah ich sie. Sie blickten aufgeregt die Straße hinab.
Ich unterdrückte einen Schrei, als das Garagentor sich plötzlich hinter mir bewegte und sich quietschend vom Zementboden hob. Beim Wegflitzen von der Tür schnappte ich mir den Rucksack, und die zweiundzwanzig Stangen Dynamit schlenkerten in meinen Händen. Fumio und Foote flüchteten vom Sandweg in den Wald, während ein weißer Lieferwagen rasch näher kam und eine dicke Staubwolke hinter sich herzog. Ich sprang in die Büsche, als er um die Kurve raste, abbremste und in den dunklen Anbau glitt. Türen öffneten und schlossen sich in der Garage. Dann passierte nichts mehr. Das Tor blieb offen. Ich sah das Heck des Lieferwagens und bemerkte daneben einen dunklen Sportwagen - Larchs Auto!
»Psst!«, zischte Fumio und kroch von hinten zu mir. »Lass uns abhauen!« Er zog mich an der Schulter.
Ich schlug seine Hand weg und befahl ihm, still zu sein.
Foote arbeitete sich raschelnd durchs Gebüsch und meinte, jetzt sei aber Schluss. »Lasst uns gehen, Leute«, beharrte er und war ziemlich aus der Fassung.
»Da ist der weiße Lieferwagen von gestern«, sagte ich.
»Das weißt du doch gar nicht!«, fuhr Fumio mich an.
»Das andere ist das Auto, das Miss Larch gefahren hat.«
»Prima«, sagte Foote. »Dann ruf die Polizei an, wenn wir nach Hause kommen.« Sein Riesenschädel war direkt neben meinem Kopf. Er wirkte entsetzlich nervös, schien aber wenigstens nicht daran zu denken, mich heute zu küssen. Und nervös war auf jeden Fall eine Untertreibung - er sah zu Tode erschrocken aus.
Genau wie Fumio.
Und wie ich - dessen war ich mir sicher.
»Los, es wird dunkel«, raunte Fumio mit versagender Stimme.
Er hatte recht, aber das hieß nur, dass wir uns beeilen mussten. Ich setzte den Rucksack wieder auf, rannte über den Hof Richtung Haus und hörte noch, wie hinter mir nach Luft geschnappt wurde.
»Nicht!«, stöhnte Fumio mir nach.
Gebückt hetzte ich voran und kauerte mich hinter das mit einer Plane verdeckte Auto. Mein Herz hämmerte
gegen mein Brustbein und klopfte mir wild im Hals und in den Ohren. Ich schob mich ans Ende der Plane vor, als Foote und Fumio angespurtet kamen.
Foote bat flüsternd: »Bitte, Svet, lass uns das abblasen.«
Fumio hob die Abdeckung an und pfiff leise durch die Zähne. »Seht mal«, wisperte er und hob die Plane noch etwas mehr. Es war die Schnauze einer kanariengelben Corvette. »Das ist der Wagen von Mr Boyd!«
Der vermisste Biolehrer! Der Mann, der angeblich »aus der Stadt geflohen« war und den Miss Larch vertreten hatte! Aber ich verstand nicht, wie...
»Er muss den Lieferwagen gefahren sein!«, erklärte Foote viel zu laut.
Ich verzog das Gesicht, drückte ihn am Arm und gab ihm zu verstehen, gefälligst leise zu sein. Dann beugte ich mich vor und spähte zur Vorderseite des Hauses. Hinter keinem Fenster war Licht angegangen, kein Laut drang heraus, und die Garage schien noch immer offen zu stehen. So nah am Haus war der Verwesungsgestank fast betäubend. Meine Haut kribbelte am ganzen Körper; Warnglocken schrillten mir im Kopf wie bei Feueralarm.
»He, Leute...«, begann Fumio.
»Vielleicht hast du recht, Svet«, sagte Foote.
»Leute...«
»Vielleicht ist Larch tatsächlich in etwas verwickelt.«
»Leute, seht mal...«
»Vielleicht haben sie und Mr Boyd Böses vor.«
»Leute, ich denke nicht, dass Mr Boyd in letzter Zeit was vorhatte.« Endlich hatte Fumio seinen Satz herausgebracht.
Er hatte die Plane von der Motorhaube der Corvette gezogen und starrte durch die Windschutzscheibe auf einen Toten hinterm Lenkrad.
Es war zweifellos ein Toter.
Ich blickte auf einen Toten.
Ich musste dringend schlucken, doch meine Kehle hatte sich in Sandpapier verwandelt
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