Die Vampirjaegerin - Till the End of Time
dann würde sie ins Bett gehen, obwohl ihr eher nach einem warmen Bad war, nach Essen, aber dazu hatte sie einfach keine Kraft, geschweige denn Lebensmittel im Kühlschrank. Zuallererst würde sie auf ihren Kalender gucken, denn noch immer wusste sie nicht, wie lange sie Gefangene der Maskenmänner gewesen war. Nach einem ausgiebigen Erholungsschlaf würde sie ihre Ausdauer, Vitalität und Kraft aufbauen müssen und erst dann wieder ihrer Arbeit nachgehen können; doch konnte sie diesen Gedanken erstmals nichts abgewinnen. Sie war stets gern auf Jagd gegangen. Irgendetwas schien während der Gefangenschaft in ihr geschehen zu sein, irgendeine Veränderung, deren Auswirkung sie gegenwärtig noch nicht einzuschätzen vermochte.
Sie starrte in die Richtung, in die der Vampir verschwunden war. Er hatte ziemlich gut gerochen. Aber da Vampire keinen Eigengeruch haben, hatte er einfach einen guten Geschmack, was Aftershaves anging. Komisch, dass ihr gerade jetzt so etwas in den Sinn kam! Andrerseits waren Vampire für ihre erotisierende Wirkung gegenüber den Menschen berüchtigt, war es ihnen auch deswegen so leicht, Menschen zu ihrer Beute zu machen, mit ihnen zu spielen wie eine Katze mit einer Maus. Und jenes auserwählte Opfer, ganz gleich, ob Mann oder Frau, hatte bis zu einem gewissen Grad auch noch Vergnügen an diesem sexuell anregenden Spiel.
„Natzuya!“, flüsterte Sayura jetzt in die Dunkelheit. Zum ersten Mal sprach sie seinen Namen laut aus. Er hatte einen angenehmen Klang.
Dann erhob sie sich mühsam vom Boden, taumelte ein paar Schritte vorwärts, verlor erneut das Gleichgewicht. Durch den dauernden Blutverlust, die Gefangenschaft, ihre Entzündungen an den Füßen hatte sie jede Kraft eingebüßt. Sie wünschte, sie hätte Natzuyas Angebot doch angenommen. Sie hätte seine Hilfe eigentlich gut gebrauchen können. Ihr Heimweg erschien ihr plötzlich so gewaltig, so schwierig. Ihr Körper schmerzte. Tränen brannten in ihren Augen.
Als sie sich erneut mühsam aufrichtete, schlangen sich schließlich zwei Arme um ihren Körper, um sie erneut vom Boden zu heben. Dankbar und voller Vertrauen ließ sie sich einfach hineinfallen.
„Die Adresse, bitte!“, sagte Natzuya und blickte triumphierend sanftmütig auf sie hinab.
„Du warst die ganze Zeit hier … bei mir.“ Flüsterte sie wissend.
„Was, was tust du da?“, fragte Sayura verwirrt. Als sie in ihrem Appartement angekommen waren, erschien ihr alles so angenehm vertraut, so beruhigend. Nie war sie so froh gewesen, wieder hier zu sein, wie in diesem Augenblick. Nicht einmal die Anwesenheit eines Vampirs, den sie ohne zu zögern – bewusst – herein gebeten hatte, verminderte dieses Gefühl jetzt. „Man sollte die alltäglichen Dinge des Lebens viel mehr zu schätzen wissen“, dachte sie ehrfürchtig.
Ihre Wohnung befand sich im 16. Stock eines Hochhauses. Sie hatte eine atemberaubende Sicht über die nächtliche Stadt. Die vielen Lichter waren wunderschön. Die meisten Bewohner der Stadt schliefen offenbar sicher und behütet in ihren Betten und hatten von dem geheimnisvollen Nachtleben keinerlei Ahnung. Sayura ließ den Blick über die Stadt schweifen. Endlich war ihr Martyrium vorbei. Hier und jetzt war sie in Sicherheit. Sie war zu Hause. Sie war frei. Sie lebte.
„Ich ziehe dich aus“, holte Natzuya sie in die Gegenwart zurück. „Du dachtest vorhin an ein Bad. Ich bring dir dann was zu essen und pass auf, dass du nicht in der Wanne einschläfst. Anschließend werde ich dich ins Bett bringen und dann gehen!“, erklärte er sein Vorhaben und machte sich weiter daran, ihr das Oberteil ihres Jogginganzuges auszuziehen.
Doch Sayura hielt es vehement fest.
„Nein, nein, ich hab nichts drunter, ich kenne dich nicht, und du bist ein Vampir!“, fuhr sie ihn an. Angst ergriff sie. Obwohl die Situation gänzlich abwich von jener ihrer Gefangenschaft, kehrten die Erinnerungen an die vielen Duschszenarien zurück: das harte, kalte Wasser; die Blicke; die grapschenden Hände ihrer Entführer, die keine intime Stelle ausließen; dieses Gefühl der Schutzlosigkeit und des Verlusts der Kontrolle.
„Du hast recht, das war idiotisch! Entschuldige“, nahm Natzuya feinsensorisch wahr.
„Ich wollte dir wirklich nur helfen. Pass auf: Ich lass dir ein Bad ein, und du kommst einfach hinterher, wenn du so weit bist. Du kannst dich in die Decke da einhüllen. Die Sachen lässt du hier liegen, ich werde sie entsorgen, damit du nie wieder an diese
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