Die verbannte Braut (German Edition)
dann gewann die Neugier und er blieb, um herauszufinden, wessen Grab seine Frau besucht hatte.
***
Ronan trat vor die Grabstätte und kniete nieder. Sein Blick glitt über die Inschrift und ein krächzender Laut kam über seine Lippen, als ihm langsam dämmerte, wer dort begraben lag. Flower Hewitt. Geboren und gestorben am selben Tag. Seine Tochter. Er streckte eine Hand aus und strich zitternd über den in Gold geprägten Namen. F L O W E R
Schmerz, so intensiv, wie er ihn noch nie zuvor in seinem Leben verspürt hatte, nicht einmal bei der Nachricht vom Tod seines Bruders, marterte sein Herz und drohte es zu zerreißen. Er hatte mit Henrietta ein Kind gezeugt und sie hatte es verloren. Das Schlimmste an dem Ganzen war, dass er nicht da gewesen war für sie. Er hatte sie hierher verbannt und sie allein gelassen. Vielleicht hätte er seine Tochter retten können, wenn er da gewesen wäre. Wenn er besser auf Henrietta achtgegeben hätte, vielleicht hätte sie das Kind nicht verloren. Möglich, dass der Stress, den er ihr verursacht hatte, Schuld an der Fehlgeburt war. Oder sie war vom Pferd gefallen, oder eine Treppe hinabgestürzt. Wenn er nur da gewesen wäre, auf sie aufzupassen.
Tränen liefen über seine Wangen, ohne, dass er sie registrierte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und seine ganze seelische Qual entlud sich in einem Schrei. Er sackte in sich zusammen und tat etwas, was er nicht mehr getan hatte, seit er ein kleiner Junge gewesen war. Er schluchzte hemmungslos.
"Oh Gooottt", raunte er gequält. "Warum? Warum musste sie sterben? Warum?"
Kapitel 12
A ls Eve die Grabstätte am nächsten Tag besuchte, lag ein Strauß weißer Margeriten auf dem Grab. Eve streckte die Hand aus und strich irritiert über die rosa Samtschleife, mit der die Blumen gebunden waren. Wer mochte die Blumen hierher gelegt haben? War es jemand aus dem Haus? Aber wer und warum hatte ihr niemand etwas gesagt? Oder war es jemand aus dem Dorf? Doch es wusste doch niemand etwas von dem Baby. Hatte der Priester etwa sein Schweigen gebrochen, um dass sie ihn gebeten hatte? Vielleicht war es der Priester selbst, der die Blumen hier abgelegt hatte, überlegte sie. Oder die Hebamme?
Sie blieb diesmal nicht so lange, wie sonst, denn die ganze Sache beunruhigte sie irgendwie. Also machte sie sich gedankenverloren auf den Weg zurück zum Haus. Sie fühlte sich seltsam. Ihr Herz schien ihr heute noch schwerer, als sonst.
Es verging eine weitere Woche und jeden Tag, den Eve an das Grab ihrer Tochter trat, lag ein neuer Strauß Blumen dort. Heute war es noch unheimlicher gewesen. Auf dem Grab hatte eine Puppe gelegen mit blonden Zöpfen und einem rosa Kleidchen. Heute war es genau ein Monat her, dass sie Flower geboren und sogleich verloren hatte. Verstört war Eve nach Hause gerannt und hatte sich auf ihr Zimmer zurückgezogen. Sie war vollkommen durcheinander.
"Was geschieht hier?", flüsterte Eve, als sie in ihrem Lieblingssessel vor dem Fenster saß.
Sie musste herausfinden, wer die Blumen und die Puppe auf Flowers Grab gelegt hatte, sonst würde sie noch den Verstand verlieren.
Am nächsten Tag verbarg sie sich im Schutze der Rhododendren und wartete. Eine Ewigkeit schien zu vergehen ohne das etwas passierte. Während sie darauf wartete, dass die mysteriöse Person in Erscheinung trat, ließ sie ihren Gedanken freien Lauf. Sie rief sich jedes Detail ihrer kleinen Tochter ins Gedächtnis. Ihre kleinen Händchen und Füßchen. Der helle Haarflaum, der ihren Körper bedeckt hatte, die blauen Augen, die kleine Nase und der delikate Mund. Der Schmerz über den Verlust von Flower wurde überschattet vom Schmerz über die Tatsache, dass sie nie wieder ein anderes Kind haben würde, weil ihr Mann wahrscheinlich auch tot war. Und selbst wenn nicht, so war es wohl ausgeschlossen, dass sie je wieder ein Kind zusammen zeugen würden.
Der Gedanke an die Nacht, in der sie Flower gezeugt hatten, verschaffte ihr ein schmerzliches Gefühl von Sehnsucht und Verlust. Nach dem ersten, brutalen Übergriff ihres Mannes, war das zweite Mal unbeschreiblich schön gewesen. Nie hätte sie solche Gefühle für möglich gehalten. Es war, als hätte sie in jener Nacht mit zwei unterschiedlichen Männern Verkehr gehabt. Wie konnte Ronan erst so lieblos, ja grausam sein und dann so zärtlich und leidenschaftlich?
Eine Bewegung am Rande ihres Gesichtsfeldes riss sie aus ihren Überlegungen. Jemand schritt eindeutig auf den Friedhof zu. Sie wandte den Kopf
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