Die verbannte Braut (German Edition)
Anklage war wie ein Schlag ins Gesicht. Er ließ sie los und rollte sich von ihr herunter. Sie lagen beide im Gras, gute einen Schritt voneinander entfernt. Nah genug, dass er nur die Hand ausstrecken müsste, um sie zu berühren und doch waren sie so weit voneinander entfernt, dass es keine Brücke zwischen ihnen zu geben schien. Er konnte sie schluchzen hören und sein Herz krampfte sich schmerzlich zusammen. Wie konnte er Vergebung von ihr erwarten, wenn er sich selbst nicht vergab? Die Schuld fraß ihn auf. Nagte an seinen Eingeweiden.
Irgendwann erhob sich Eve und wankte davon, ohne den Mann anzusehen, der nicht weit von ihr entfernt lag. Sie konzentrierte sich darauf, einen Schritt vor den anderen zu setzen.
Er ist zurück!
Er lebt!
Diese beiden Gedanken marterten ihr Gehirn wie ein nicht enden wollender Kanon.
Er ist zurück! Er lebt! Er ist zurück! Er lebt! Er ist zurück! Er lebt!
Kapitel 13
D er Sommer ging über in den Herbst und schließlich in den Winter. Sie hatte Ronan seit dem Vorfall beim Friedhof nicht wiedergesehen und nach all den Monaten fragte sie sich, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte. Es waren auch keine Blumen oder Geschenke mehr am Grab aufgetaucht und so konnte Eve nur davon ausgehen, dass ihr Gatte wieder einmal verschwunden war.
Sie sollte eigentlich nicht so verdammt enttäuscht darüber sein. Hatte sie ihm nicht selbst gesagt, er solle verschwinden? Warum fühlte sie dann diese schmerzhafte Leere in ihrem Herzen? Warum träumte sie jede Nacht, dass er sie heiß und leidenschaftlich liebte?
Eve wurde depressiv und verlor an Gewicht. Auch die Besuche ihrer Schwiegereltern und ihrer eigenen Eltern konnten sie nur kurzfristig von ihrer Schwermut ablenken. Wenn sie ihr kleines Mädchen gehabt hätte, um ihrem Leben einen Sinn zu geben – doch ihr Mädchen lag begraben in der kalten Erde und würde niemals durch die Gänge dieses riesigen Hauses rennen. Sie würde nie lachen und Streiche aushecken, wie Eve es als kleines Mädchen getan hatte. Das Leben war wahrlich grausam. Welchen Sinn hatte sie noch im Leben? Wofür lebte sie? Sie hatte keine Antwort auf diese Fragen. Stattdessen kamen immer mehr Fragen hinzu. Wo war er jetzt? Lag er gerade in den Armen einer anderen Frau? Lebte er noch?
Ein neues Jahr kam und die Frühlingssonne schaffte es schließlich, Eve ein wenig aufzumuntern. Sie unternahm lange Spaziergänge oder Ausritte in die Umgebung. Sogar ihr Appetit kehrte langsam zurück und sie nahm ein wenig an Gewicht zu. Ihre Familie und alle Bediensteten, die ihre sanfte Herrin liebten, atmeten erleichtert auf, als sie sahen, dass Eve wieder anfing zu leben.
Den Sommer verbrachte sie mit ihren Eltern in London, wo sie das Theater besuchten, im Park spazieren fuhren oder an Soirées und Bällen teilnahmen. Eve war eine begehrte Tanzpartnerin und genoss die Aufmerksamkeit, die sie von den Herren der Gesellschaft erfuhr. Gleichzeitig kamen aber auch die Erinnerungen zurück an eine ganz bestimmte Soirée, die ihr Leben verändert hatte. Immer wieder glaubte sie, Ronan in der Menschenmenge zu sehen, sei es in den Straßen, im Theater oder in einem Ballsaal. Doch jedes Mal stellte es sich heraus, dass sie sich getäuscht hatte. Ihre Stimmung sank und ihre Eltern versuchten hilflos, herauszufinden, was mit ihr los war. Doch Eve schwieg.
Zurück auf Ravenloft traf die Depression sie wieder mit voller Wucht. Der Doktor verordnete ihr eine Medizin, die ihre Stimmung heben sollte, doch Eve weigerte sich, sie zu nehmen.
Es war September, als der Brief kam. Es war ein Schreiben von Johnny, Ronans Freund und langjährigem Weggefährten. Eve wusste, was auch immer in diesem Brief stand, es musste etwas mit Ronan zu tun haben. Mit zitternden Fingern riss Eve den Brief auf und las die Zeilen mit klopfendem Herzen.
Verehrte Henrietta,
ich schreibe diese Zeilen mit schweren Herzen und wünschte so sehr, dass ich es nicht tun müsste, doch ich habe Ronan versprochen, Euch zu benachrichtigen, falls dieser Fall je eintreten würde.
Ronan und ich haben in den letzten Monaten die Interessen unseres Landes in Ägypten vertreten und gegen die heidnischen Urabi-Rebellen gekämpft. Im Zuge dessen gerieten wir in einen Hinterhalt und ich muss Euch leider mitteilen, dass Euer Gatte von den verdammten Heiden entführt und wie wir später bestätigt bekommen haben, hingerichtet wurde. Leider wurde uns sein Leichnam nicht übergeben und ich bedaure zutiefst, dass sein Körper nicht
Weitere Kostenlose Bücher