Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
Vom Netzwerk:
dass sie wieder einen Jungen erwartete, lag ein wenig höher als die, dass es ein Mädchen wurde. Er beschloss, sie nicht in der Hoffnung auf eine Tochter zu bestärken, damit die Enttäuschung hinterher nicht umso größer war.
    Caits Schwangerschaft faszinierte ihn. Nachts im Bett strich er oft über ihren Bauch und spürte, wie sich die Haut im Laufe der Monate so stark zu spannen begann, dass er fürchtete, sie könne reißen. Cait gewöhnte sich an, ihren mächtigen Bauch an seinem Körper abzustützen, wenn er auf dem Rücken lag, und oft genug wurde er mitten in der Nacht von einem Tritt in die Magengegend geweckt. Dann ließ er meist eine Hand in Caits Nachthemd gleiten, und manchmal spürte er die Umrisse eines winzigen Füßchens unter der Haut. Wenn er leicht dagegen drückte, trat das Baby empört nach ihm, bevor es wieder Ruhe gab.
    Eines Tages kam Dylan völlig außer Atem in die große Halle der Burg gerannt und fand Gracie dort am Feuer vor. »Komm schnell!«, keuchte er. »Cait ... sie ...« Verdammt, ausgerechnet jetzt fehlten ihm die Worte! Es gab drei oder vier verschiedene Möglichkeiten, es auf Gälisch zu sagen, und er hätte sie alle problemlos herunterrasseln können, aber das Wort, das er brauchte, wollte ihm nicht über die Lippen kommen. Ständig ertappte er sich dabei, dass er obair sagen wollte, obwohl Cait ja so gesehen keine > Arbeit< leistete. Er holte tief Atem. »Das Baby kommt«, brachte er schließlich heraus.
    Die Augen der alten Frau leuchteten auf. »Och!« Sie lief zur Küchentür und rief laut: »Sarah! Komm her! Rasch! Bei Cait ist es so weit!«
    Sarah kam aufgeregt und mit rosigen Wangen aus der Küche gestürzt, wobei sie Mehl von ihrem Rock klopfte. »Das Kind kommt?« Als sie Dylan sah, blieb sie erschrocken stehen und lief noch röter an, doch sie überwand ihre Verlegenheit schnell und rief Gracie zu: »Geh du mit Dylan! Ich hole noch schnell ein paar Tücher aus der Wäschekammer und komme dann nach.« Mit diesen Worten eilte sie in Richtung des Nordturms davon.
    Dylan sah ihr nach. Er fragte sich, wie Sarah es aushielt, mit Sinanns Liebeszauber zu leben. Die Fee behauptete zwar, sie könne sich jederzeit davon befreien, aber es sah nicht so aus, als ob Sarah dies gelungen wäre, denn sie blickte Dylan immer noch ständig wie ein getretenes Hündchen an.
    Den Rückweg musste Dylan gezwungenermaßen etwas langsamer zurücklegen, denn Gracie war nicht mehr die Jüngste und geriet leicht außer Atem. Endlich erreichten sie das Haus. Gracie verschwand sofort im Schlafzimmer, in dem Cait lag, und schlug Dylan die Tür vor der Nase zu. Er öffnete sie einen Spaltbreit, doch Gracie schloss sie unverzüglich wieder. »Gracie, was soll das? Lass mich herein!«
    »Benimm dich gefälligst, Dylan Matheson. Was hier drinnen vorgeht, ist nicht für die Augen eines Mannes bestimmt. Jetzt verschwinde von der Tür und mach dich irgendwo anders nützlich. Hier hast du nichts zu suchen.«
    Dylan trat ergeben von der Tür zurück und sah sich nach irgendetwas um, womit er sich beschäftigen konnte. Ciaran saß in der Stube auf einem Stuhl. Der Zweijährige verhielt sich heute viel stiller als gewöhnlich. »Thig, mac.« Dylan hob ihn hoch und setzte ihn sich auf den Schoß.
    »Leugh mu, verlangte Ciaran. Diesmal verzichtete Dylan darauf, ihn zu korrigieren, und nahm die große Bibel vom Schrank. Ciaran ließ sich gerne aus der Bibel vorlesen, vermutlich weil Dylan die Geschichten ins Gälische übersetzte, was er bei Gedichten nicht tat. Außer den laut vorgelesenen Gedichten hörte Ciaran kaum einmal Englisch und hatte bislang auch noch kein englisches Wort gesprochen. Dylan wollte es ihm beibringen, wenn er fließender Gälisch sprach und alt genug war, um den Unterschied zu begreifen. In der Zwischenzeit lauschte Ciaran begeistert den Geschichten über Wunder, Katastrophen und Sünden, von denen es in der Bibel nur so wimmelte.
    Ein gequältes Stöhnen ertönte vom Schlafzimmer her. Dylan blickte auf. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    Kurz darauf kam Sarah mit einem Stapel Laken und Tücher, verschwand im Schlafzimmer, ohne Dylan eines Blickes zu würdigen, und schloss die Tür hinter sich.
    Caits Eltern erschienen kaum eine Minute später. Auch Una ging sofort zu ihrer Tochter; Iain ließ sich auf dem freien Stuhl am Tisch nieder. Ciaran rutschte vom Schoß seines Vaters, lief auf seinen Großvater zu und schlang die Arme um dessen Knie. Iain unterhielt sich mit ihm, während

Weitere Kostenlose Bücher