Die Verbannung
Dylan Torf auf das Feuer legte. Er würde sich sein Essen heute selbst zubereiten müssen, aber er hatte noch keinen Hunger und beschloss, dass drammach ihm heute reichen musste.
Wieder erklang im Schlafzimmer ein lautes Stöhnen. Dylan und Iain hoben beide den Kopf und hielten den Atem an, bis die Laute verstummten.
Nach einer Weile kamen Seumas und Robin vorbei. Dylan stellte seinen Whiskykrug auf den Tisch. Die Männer würden ihn vermutlich heute Abend noch leeren, aber das war ihm egal. Er konnte bis zum Winter warten und ihn dann wieder füllen. Der Besuch lenkte ihn wenigstens von den Geräuschen aus dem Schlafzimmer ab.
Als die Sonne unterging, verabschiedeten sich Seumas und Robin. Ailis Hewitt kam mit einem großen Korb voller Pasteten auf einer und ihrem kleinen Sohn auf der anderen Hüfte ins Zimmer. Sie hielt Dylan den Korb hin. »Iss etwas, du siehst aus, als würdest du jeden Moment in Ohnmacht fallen.« Dann verschwand auch sie im Schlafzimmer.
Iain, Ciaran und Dylan verzehrten die mit Hühnerfleisch gefüllten Pasteten und lauschten dem immer lauter werdenden Stöhnen im Nebenraum. Dylan fragte sich allmählich, wie lange das noch so weitergehen sollte. Das Stöhnen ging in kurze Schreie über, und jetzt wurde auch Iain sichtlich blasser. Ailis blieb nicht lange, ihr Sohn war zu quengelig, aber sie versprach, am nächsten Morgen wiederzukommen. An der Tür stieß sie beinahe mit Nana Pettigrew zusammen. Das Geschnatter im Schlafzimmer wurde lauter.
Ciaran schlief in Dylans Armen ein, während sich Dylan und Iain mit gedämpften Stimmen über alles Mögliche unterhielten, nur nicht über Babys und Geburten. Es war schon spät, als Iain schließlich nach seiner Frau rief und sie aufforderte, mit ihm zur Burg zurückzugehen.
»Iain«, fragte Dylan, als sein Schwiegervater sich erhob, »könntet ihr wohl Ciaran heute Nacht bei euch schlafen lassen? Ich möchte nicht, dass er seine Mutter so hört.«
Iain nickte und nahm ihm den schlafenden Jungen ab. Ciaran rührte sich kaum. An der breiten Schulter seines Großvaters wirkte er noch kleiner und verletzlicher, als er war. Iain und Una verließen das Haus. Dylan blieb allein am Feuer sitzen. Aus dem Nebenzimmer erklang das leise Gemurmel der vier Frauen und immer wieder gellende Schreie, die Dylan durch Mark und Bein drangen. An Schlaf war nicht zu denken.
Die Stunden zogen sich dahin. Dylan legte mehr Torf auf das Feuer und versuchte, in dem Gedichtband zu lesen, konnte sich aber kaum auf die Buchstaben konzentrieren. Warum dauerte das nur so lange? Wie viel Schmerzen musste eine Frau aushalten, bevor sie ein Kind zur Welt brachte? Er ging zur Schlafzimmertür und legte eine Hand auf die Klinke. »Sinann«, flüsterte er, »kannst du nicht irgendetwas tun?«
Die Fee gab keine Antwort. Dylan begann zu zittern, als Cait noch einmal laut aufschrie.
Weitere Stunden verstrichen. Die Schreie folgten immer schneller aufeinander. Dylan saß am Feuer und bemühte sich, nicht an all das zu denken, was Cait zustoßen konnte. Bald würde die Morgendämmerung anbrechen, und sie lag seit den Mittagsstunden des vorangegangenen Tages in den Wehen. War das normal? Ob das Kind überhaupt noch lebte? Wussten die Frauen da drinnen, was sie zu tun hatten? Was, wenn sich die Nabelschnur um den Hals des Kindes legte und es erdrosselte? Was, wenn Cait Blutungen bekam, die sich nicht stillen ließen? Was, wenn das Baby verkehrt herum lag? Die Schreie wurden lauter, und Dylan zog sein Kruzifix unter dem Hemd hervor. Er stützte die Ellbogen auf den Tisch, nahm das Kreuz in beide Hände und betete für das Leben seiner Frau und seines Kindes.
Er wusste nicht, wie lange er dagesessen und immer wieder dieselben Worte vor sich hin gestammelt hatte, aber der Himmel verfärbte sich schon rötlich, als plötzlich im Nebenzimmer ein markerschütternder Schrei erklang, gefolgt von dem kläglichen Weinen eines Kindes. Dylan sprang auf und presste das Gesicht gegen die Tür zum Schlafraum. »Cait? Cait, ist alles in Ordnung?«
»Verschwinde, Dylan Matheson!« Caits Stimme klang schwach, aber trotzdem musste er bei diesen Worten schmunzeln. »Wage es ja nicht, hier hereinzukommen!«
Dylan senkte die Stimme. »Wie geht es dem Kleinen?«
»Gut. Sie ist gesund und rosig.«
Dylan lächelte und ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken, denn seine Beine wollten ihn nicht länger tragen. Vor lauter Erleichterung lachte er leise in sich hinein, dann ging ihm plötzlich auf, was sie
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