Die Verbannung
gerade gesagt hatte. Wieder blickte er zur Schlafzimmertür. Cait hatte ihren Willen: eine Tochter. Laut rief er: »Siehst du, Cait, ich habe dir ja gesagt, dass es egal ist, wer oben liegt!«
Die anderen Frauen kicherten, und Cait rief zurück: »Es war das Mal davor, da bin ich mir ganz sicher!« Das rief erneut lautes Gekicher hervor.
Auch Dylan musste lachen. Es war wie eine Befreiung. Doch dann traten ihm zu seiner Überraschung Tränen in die Augen und rollten über seine Wangen. Hastig wischte er sie mit dem Handrücken fort, ehe jemand ins Zimmer kam und dieses Zeichen von Schwäche sah, aber just in diesem Augenblick materialisierte sich Sinann vor ihm, und wie üblich entging ihr nichts. »Och, ich kann doch keinen Mann weinen sehen!«
»Wo warst du?«, fragte Dylan nicht gerade freundlich. »Sie brauchte deine Hilfe.«
»Ich habe ihr doch geholfen, mein Freund. Ich habe ihre Hand gehalten und ihr ein paar Geschichten über dich erzählt. Am besten gefiel ihr die von der Hure, die mit der Hand in deinen Kilt gegriffen hat...«
Dylan stöhnte.
»... und sie musste lachen, als ich ihr erzählte, wie du sie abgewimmelt hast. Ich habe ihr immer wieder gesagt, wie sehr du sie liebst, und ich habe diese Bande von Hebammen davon abgehalten, ihr das Kind aus dem Leib zu reißen wie ein Kalb aus einer Kuh.«
Dylan fuhr hoch. »Was? Haben sie ihr etwa irgendwelche Verletzungen zugefügt?«
Die Fee legte eine Hand auf seine Brust und drückte ihn auf den Stuhl zurück. »Nein. Aber manche versuchen die Geburt zu beschleunigen, und daran habe ich sie gehindert.« Dylan runzelte verwirrt die Stirn, nickte dann aber. Sinann fuhr fort: »Jetzt geh schlafen, mein Freund. Deine Frau braucht jetzt viel Ruhe.«
»O nein.« Dylan sprang auf und ging zur Schlafzimmertür. »Ich will die Kleine sehen!« Die vier Frauen lehnten seine Forderung empört ab. Dylan, der allmählich genug von dem Theater hatte, packte das obere Ende der Trennwand, rüttelte daran und brüllte dabei: »Zeigt mir sofort meine Tochter, oder ich komme herein und hole sie mir! Bringt sie heraus! Jetzt sofort!«
Daraufhin hörte er leises, erregtes Gemurmel, aber niemand widersprach ihm mehr. Ungeduldig wartete er ab. Endlich erschien Gracie an der Tür. Sie hielt ein in ein Leinentuch gewickeltes Bündel auf dem Arm. Als Dylan das zerbrechliche kleine Wesen sah, war er so bewegt, dass er fast vergaß, Gracie das Bündel abzunehmen. Die alte Frau hielt ihm das Baby hin, und er nahm es ungeschickt auf den Arm, voller Angst, es zu stark zu drücken oder gar fallen zu lassen. Noch nie in seinem Leben hatte er ein so winziges Menschlein gesehen.
Gracie half ihm, das Kind in seine Ellbogenbeuge zu betten. Er ging zum Fenster hinüber, um seine Tochter im Licht der aufgehenden Sonne zu betrachten. Sein kleines Mädchen war eigentlich nich rosig, sondern vielmehr kräftig rot, ihre Augen standen offen, und sie schien sich neugierig umzublicken. Dylan fragte sich, was sie von ihrer Umgebung wohl schon wahrzunehmen vermochte. Konnte sie sein Gesicht erkennen, oder bestand die Welt für sie erst einmal aus Farben und Formen? Der Flaum auf ihrem Kopf war so schwarz wie Ciarans Haar, und ihr Mund glich einer winzigen zarten Rosenknospe.
Er beugte sich vor, um ihr einen Kuss auf die weiche Stirn zu drücken, und murmelte leise: »Willkommen auf dieser Welt, Süße.« Sein Herz quoll fast über vor Stolz.
Das Baby wurde drei Tage später von Vater Turnbull auf den Namen Sile getauft; Sarah fungierte als Patin. Dylan bekam von der ganzen Zeremonie kein Wort mit, weil er den Blick nicht von seiner kleinen Tochter abwenden konnte.
Im Laufe des nächsten Jahres sah Dylan zu, wie seine Kinder heranwuchsen und seine Schafe sich vermehrten. Jedes Schaf produzierte dank des im Freien verbrachten Winters noch mehr Wolle als im Jahr zuvor, und die Lämmer, die aus der Kreuzung von Highland- und Cheviot-Blut hervorgingen, waren groß und kräftig und hatten dicke, weiche Vliese.
Im nächsten Frühling, dem des Jahres 1718, schlachtete er ein Lamm aus seiner Herde und stiftete zum Maifest einen großen Topf Stew. Seine Schafherde vergrößerte sich zwar ständig, aber seinen Rinderbestand hielt er konstant. Wenn Kälber geboren wurden, tat er es den anderen Highlandbauern gleich und verkaufte oder schlachtete die älteren Tiere. In diesem Winter füllte er zwei Krüge von den Whiskyfässern ab, die er in der Höhle versteckte. Insgesamt lagerten dort nun sechs
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