Die Verbannung
einem kleinen Topf eine schwärzliche Flüssigkeit brodelte. Sie verbreitete einen metallischen Geruch, und Dylan sah sich nach dem Eimer um, in den Cait geriebene Galläpfel und ein paar rostige Nägel geworfen hatte. Sie hatte letzten Monat viele dieser kleinen runden Rindenbälle gesammelt. Die meisten brauchte sie, um Häute zu gerben, aber aus denen, die sie zusammen mit den Nägeln ins Wasser gelegt hatte, wollte sie schwarze Farbe für die Wolle herstellen. Der Eimer war leer, also köchelte die Farbe jetzt über dem Feuer.
Das Gemisch war ziemlich dickflüssig; auf der Oberfläche trieben kleine Bläschen. Cait nahm einen kleinen Tonteller, der ihr als Kerzenhalter diente, kratzte mit dem Fingernagel die Wachsreste ab und goss etwas Farbe aus dem Topf darauf. Dann gab sie ein bisschen Schweinefett dazu, stellte den Teller auf das Blech, auf dem sie sonst Bannocks buk, und setzte es auf das Feuer. Als das Fett in der Farbe geschmolzen war, nahm Cait den Teller mit einem Lappen vom Blech und stellte ihn auf den Tisch.
Schließlich griff sie in Dylans Hemd, zog seinen sgian dubh hervor und löste damit einen langen Span von einem Feuerholzscheit. Sie tauchte die provisorische Schreibfeder in die Tinte und malte sorgfältig ihren Namen unter den von Dylan auf das Papier. Die Tinte verfärbte sich grau und ergab, als sie getrocknet war, einen dunklen Braunton. Das Ganze sah aus wie eine sehr nachlässig ausgeführte Kalligrafie.
Nach einer Weile reichte sie das Dokument an Sarah weiter und hielt ihr die Schreibfeder hin. »Du musst als Zeugin unterschreiben«, bat sie.
Sarah errötete, malte dann aber lächelnd ihren Namen unter den von Cait.
Während sie auf die Tinte blies, damit sie schneller trocknete, stand Cait auf und gab Dylan einen Kuss auf die Wange. »Jetzt ist er dem Gesetz nach dein Sohn, und niemand kann mehr Ansprüche auf ihn erheben.«
Dylan nahm das Dokument vom Tisch, zog sein Begnadigungsschreiben aus seinem sporran und wickelte beides in das Wachstuch ein. Dann legte er die beiden kostbaren Papiere zu seinem Landbrief in den Schrank und schloss die Tür. Er verspürte eine abgrundtiefe Erleichterung, die er aber geleugnet haben würde, hätte ihn jemand danach gefragt. Sacht fuhr er seinem Sohn über das dunkle, weiche Haar. »Ciaran Robert Matheson«, murmelte er.
Dylan baute seinen Destillierapparat auf der Lichtung auf, die er im dichtesten Teil seines Waldes geschlagen hatte. Er hoffte, hier während der ersten drei Jahre seiner neuen Tätigkeit vor Steuereintreibern sicher zu sein. Viel schwieriger würde es werden, die leeren Sherryfässer, die er Gracie abgeschwatzt hatte und in denen der Whisky lagern sollte, zu verstecken. Nach reiflicher Überlegung beschloss er, sie in die kleine, mit Farn zugewachsene Höhle in der Nähe des Wasserfalls zu schaffen, die nur zu Fuß und das auch nur mit Mühe zu erreichen war.
Dylan weichte die Gerste über Nacht im Bach ein, wickelte sie anschließend in Leinentücher und ließ sie eine Woche lang in seinem Haus liegen, damit die Körner in der Wärme auskeimen konnten. Dann trocknete er sie portionsweise über dem Herd. Das Malzen war ein langwieriger Prozess, aber sie hatten Winter, und seine Familie hielt sich überwiegend im Haus auf und leistete ihm Gesellschaft. Der würzige Duft gerösteten Getreides erfüllte sämtliche Räume.
Während Cait aus Hasenfellen eine warme Decke für Ciarans Bett nähte, las Dylan ihr und seinem Sohn aus der Bibel und aus dem Gedichtband vor, den er nun schon fast auswendig kannte. Gelegentlich erzählte er auch selbst erfundene Geschichten, bei denen er sich von den Filmen inspirieren ließ, die er früher gesehen hatte und die er mit verschiedenen Stimmen und Geräuschen untermalte. Ciarans Lieblingsgeschichte begann mit den Worten: »Vor langer Zeit in einer fernen Galaxie ...«
Cait lachte, als er den Klang einer Laserwaffe nachahmte. »Ein Gewehr hört sich aber ganz anders an.«
Dylan grinste. »Diese Waffen funktionieren ja auch ganz anders als die Gewehre, die wir kennen. Sie schießen nicht mit Kugeln, sondern ...«, er suchte nach Worten, die sie verstehen würde, »... sondern mit kleinen Lichtbällchen.«
Das brachte sie noch mehr zum Lachen. »Lichtbälle, die Menschen töten? Das gibt es nicht.«
»O doch. Es gibt ja auch Schiffe - große Schiffe -, die am Himmel von Stern zu Stern fliegen.«
Cait hielt sich den Bauch vor Lachen. »O Dylan, du denkst dir vielleicht Sachen aus ...«
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